Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)
Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt führte, um Verlängerungen seiner Urlaube zu erwirken oder seine Pensionierung zu erreichen, und gemeinsam mit ihrem Mann übersetzte sie Kafkas Briefe an die Behörde (in der seit Proklamation der Tschechoslowakischen Republik die Zweisprachigkeit aufgehoben war) ins Tschechische. In Kafkas letztem Lebensjahr besuchte sie ihn in Berlin und hielt – wie ihre Schwestern und ihre Eltern – den Kontakt zu ihm brieflich aufrecht.
Ottla Davidová lebte mit ihrem Mann in keiner glücklichen Ehe; die lange Trennung durch den Krieg während der Brautzeit – bei seiner Rückkehr fand Josef David statt des jungen Mädchens eine reife, durch selbständige Landarbeit geprägte Frau vor –, mehr aber noch die konservative und tschechisch-nationale Haltung Davids, die der Erziehung und der Persönlichkeit seiner Frau entgegengesetzt war, hatte daran Anteil. Im August 1942 wurde die Ehe, die Ottla Davidová vor der Judenverfolgung schützte, geschieden, kurz darauf wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Im Oktober 1943 begleitete sie als freiwillige Helferin einen Transport polnischer jüdischer Kinder nach Auschwitz; kurz nach ihrer Ankunft wurde Ottla Davidová dort ermordet.
Kafka, Valli
Valerie Kafka, genannt Valli, wurde am 25. September 1890 als Tochter von Julie und Hermann Kafka in Prag geboren. Sie besuchte die deutsche Mädchenschule in der Fleischergasse und später ein privates Fortbildungsinstitut für Mädchen. Am 12. Januar 1913 heiratete sie den kaufmännischen Angestellten Josef (›Pepa‹) Pollak (1882–1942), mit dem sie zwei Töchter hatte: Marianne (1913–2000) und Lotte (1914–1931).
Über das Verhältnis Kafkas zu Valli ist wenig bekannt. Von allen Geschwistern war sie offenbar diejenige, die mit dem Vater am wenigsten Schwierigkeiten hatte. Sie wirkte äußerlich angepasst und zurückhaltend, war jedoch sprachlich begabt und offenbar auch belesen.
Ende Oktober 1941 wurden Valli und Josef Pollak in das Ghetto von Lodz deportiert; im Frühjahr 1942 lebten sie dort zeitweilig mit Elli und deren Tochter Hanna. Valli Pollak wurde vermutlich im Herbst 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet.
Klopstock, Robert
Robert Klopstock wurde am 31. Oktober 1899 in der Kleinstadt Dombovár südlich des Plattensees geboren; die Eltern waren jüdischer Abstammung. Von 1912 bis 1917 besuchte er das Humanistische Gymnasium in Budapest, danach wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und einem Sanitätskorps zugeteilt. Gleichzeitig war er an der Medizinischen Fakultät in Budapest eingeschrieben.
Während seines Dienstes an der Ostfront und in Italien zog sich Klopstock eine Tuberkulose zu, die ihn dazu zwang, das Medizinstudium abzubrechen und ein Sanatorium aufzusuchen. So lernte er Anfang 1921 im Sanatorium Matliary in der Hohen Tatra den Mitpatienten Franz Kafka kennen. Es entwickelte sich eine intensive Freundschaft, bei der Klopstock die Rolle des sozialen Mittlers einnahm, während Kafka bei der Immatrikulation an der Prager Universität behilflich war und gleichzeitig die literarischen Ambitionen Klopstocks förderte (insbesondere Übersetzungen aus dem Ungarischen ins Deutsche). In Prag wurde Klopstock eine Zeitlang von Kafkas Familie beherbergt.
Ob Klopstock Kafka in dessen letztem Lebensjahr in Berlin besuchte, ist unklar. Er betreute ihn jedoch – gemeinsam mit Dora Diamant – in den letzten Wochen, die er in einem Sanatorium in Kierling verbrachte. Sehr wahrscheinlich ist, dass Klopstock durch die Gabe von Morphium auch Kafkas Sterben erleichterte.
1928 schloss Klopstock sein Medizinstudium in Berlin ab und wurde Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung der Charité. 1929 wurde er Arzt in einer auf Tuberkulose spezialisierten Klinik in Sommerfeld, im selben Jahr heiratete er die ebenfalls aus Ungarn stammende Lehrerin Giselle Deutsch (geb. 1902). 1933 emigrierte das Paar von Berlin nach Budapest. 1938 gelang aufgrund der Vermittlung von Klaus und Thomas Mann auch die Emigration in die USA. 1945 wurden Giselle und Robert Klopstock amerikanische Staatsbürger.
Nach dem Krieg machte Klopstock Karriere als Spezialist für Lungenchirurgie; er lehrte in New York und hatte auch eine eigene Praxis. 1958 trat er zum Christentum über. Er starb am 15. Juni 1972.
Weiß, Ernst
Ernst Weiß wurde am 28. August 1882 in Brünn geboren. Seinen Vater, einen jüdischen Tuchhändler, verlor er bereits im Alter von vier Jahren; zusammen mit seinen drei
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