Ist es nicht schoen, gemein zu sein
Zettel
gelesen hätte, den Kati Farkas gerade an Blair weitergegeben hatte, hätte sie
womöglich doch einen Funken Mitleid für Serena verspürt.
Liehe
Blair,
kannst du mir bitte 50 000 Dollar leihen? Schnief,
schniif- fel, schnief. Ich brauche das Geld dringend für meinen Dealer. Wenn
ich meine Koksschidden nicht bezahle, sitze ich total in der Scheiße.
Verdammt, mich juckt's ständig so zwischen den Beinen.
Gib mir bald Bescheid wegen der Kohle. Liebe Grüße
Serena van der
Trippersen
Blair, Rain und Kati kicherten durchdringend.
»Schsch!« Mr Beckham warf
Vanessa einen mitfühlenden Blick zu.
Blair drehte den Zettel um und
kritzelte eine Antwort.
Na klar, Serena. Für dich tu ich doch alles. Ruf mich
aus dem Knast an. Das Essen dort soll ja echt phänomenal sein. Nate und ich
kommen dich besuchen, wenn wir mal Zjeit haben, also voraussichtlich... schwer
zu sagen... NIE?!
Hoffentlich
heilt dein Tripper bald aus.
Alles
Gute,
Blair
Blair gab den Zettel an Kati
weiter, wobei sich ihr schlechtes Gewissen sehr in Grenzen hielt. Okay, sie
war gemein, aber mittlerweile waren so viele Geschichten über Serena im Umlauf,
dass sie wirklich selbst nicht mehr wusste, was sie noch glauben konnte und was
nicht. Außerdem sagte Serena niemandem, warum sie eigentlich wieder hier war,
weshalb also sollte sich Blair für sie einsetzen? Womöglich war ja doch etwas
an den Gerüchten dran. Vielleicht hatten sie einen wahren Kern.
Außerdem war
Briefchenschreiben viel interessanter als das, was Vanessa von sich gab.
»Ich hab das Drehbuch
geschrieben, führe Regie und bin Kamerafrau. Für die Rolle von Fürst Andrej hab
ich auch schon jemanden. Einen Freund von mir, der auf die Riverside-Schule
geht, Daniel Humphrey«, erzählte Vanessa. Ihr stieg die Röte ins Gesicht, als
sie seinen Namen laut aussprach. »Aber ich brauche noch eine Natascha. Morgen
Abend nach der Schule mach ich ein Casting im Madison Square Park. Hat eine von
euch Interesse?«
Die Frage war ein kleiner
Privatscherz. Vanessa wusste genau, dass ihr niemand zuhörte. Die waren alle
viel zu sehr mit ihrem Briefwechsel beschäftigt.
Blairs Arm schoss in die Höhe.
»Ich mach Regie!«, rief sie. Sie hatte eindeutig nicht mitbekommen, worum es
ging, war aber so scharf auf alles, womit sich das Aufnahmekomitee in Yale
möglicherweise beeindrucken ließ, dass sie sich grundsätzlich immer als Erste
freiwillig meldete.
Vanessa öffnete den Mund. Du kannst mich mal am Arsch
lecken, wollte sie sagen und ihr den Finger zeigen.
»Du kannst den Arm wieder
runternehmen, Blair.« Mr Beckham seufzte erschöpft. »Vanessa hat uns gerade
erklärt, dass sie selbst Regie führt, Kamera macht und das Drehbuch schreibt.
Ich schlage vor, du konzentrierst dich auf dein eigenes Projekt. Oder willst du
für die Natascha vorsprechen?«
Blair warf ihm einen
angenervten Blick zu. Sie hasste Lehrer wie diesen Beckham. Der hatte doch den
vollen Minderwertigkeitskomplex, weil er als Hinterwäldler aus Nebraska immer
davon geträumt hat, mal in New York zu leben, und jetzt feststellen muss, dass
er bloß ein mieser kleiner Lehrer an einer blöden Mädchenschule ist, statt auf
Indie-Filmfestivals als neuer Regiestar gefeiert zu werden.
»Nö, danke.« Blair schob sich
eine dunkelbraune Haarsträhne hinters Ohr. »Ich glaub, dazu hab ich wirklich
keine Zeit.«
Was stimmte.
Blair saß im Vorstand des
Schulausschusses für soziales Engagement und leitete den Club der Frankophilen,
sie beteiligte sich aktiv an der Leseförderung für Drittklässler, arbeitete
einmal wöchentlich ehrenamtlich in einer Suppenküche, wiederholte dienstags in
einem Privatinstitut den Schulstoff für die Uni-Einstufungsprüfungen und
besuchte donnerstags einen Kurs in Modedesign bei Oscar de la Renta. Am
Wochenende nahm sie an Tennisturnieren teil, damit sie in der nationalen
Rangliste nicht abstieg. Abgesehen davon saß sie im Organisationskomitee so
ungefähr jeder Veranstaltung, auf der man auch nur halbwegs interessante
Kontakte knüpfen konnte, und war schon jetzt für die kommende
Herbst/Wintersaison totaaaaal verplant. Sie musste ständig neue
Speichererweiterungen für ihren Palm besorgen.
Vanessa knipste das Licht im
Klassenzimmer an und ging zu ihrem Platz in der ersten Reihe zurück.
»Kein Problem, Blair. Ich
wollte die Natascha sowieso mit einem blonden Mädchen besetzen«, sagte sie. Sie
strich sich den Rock ihrer Schuluniform über den Oberschenkeln glatt und ließ
sich dann
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