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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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krumm ist, oder wie mühelos Sie zwischen einem Kreis und einer Form unterscheiden, die ganz leicht elliptisch ist. Diese perzeptiven Fertigkeiten haben die menschliche Erfahrung bezüglich der Welt sicher stark geprägt und eine Mathematik entstehen lassen, die auf diskreten Objekten (Arithmetik) und geometrischen Figuren (euklidische Geometrie) fußt.
    Die Einheit der symbolischen Notation ist möglicherweise Ergebnis dessen, was man vielleicht als Microsoft-Windows-Effekt bezeichnen könnte: Die ganze Welt verwendet dieses Betriebssystem – nicht weil es keine Alternative gäbe, sondern nur, weil irgendwann ein Betriebssystem begonnen hatte, den Computermarkt zu beherrschen, und jedermann es übernehmen musste, um die Kommunikation reibungslos zu gestalten und die entsprechenden Produkte anwenden zu können. Ganz ähnlich hat vielleicht die Zeichennotation des Westens der mathematischen Welt ihre Uniformität aufgedrängt.
    Auf faszinierende Weise tragen Astronomen und Astrophysiker noch immer zur Debatte «Entdeckung oder Erfindung» bei. Die jüngsten Untersuchungen an Planeten außerhalb des Sonnensystems lassen vermuten, dass etwa fünf Prozent aller Sterne einen großen Planeten (wie den Jupiter unseres Sonnensystems) haben, der sie umrundet, und dass dieser Anteil quer durch unsere Milchstraße im Durchschnitt mehr oder minder überall gleich ist. Zwar ist die genaue Zahl an
erdähnlichen
Planeten unbekannt, doch bestehen gute Chancen, dass sie die Galaxie zu Milliarden bevölkern. Selbst wenn sich nur ein kleiner (allerdings nicht vernachlässigbar geringer) Teil dieser «Erden» in einer
lebensfreundlichen Zone
um ihre Zentralgestirne bewegt – das heißt auf Umlaufbahnen, die flüssiges Wasser auf der Planetenoberflächegestatten –, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf ihrer Oberfläche Leben im Allgemeinen und intelligentes Leben im Besonderen entwickelt, keineswegs null. Sollten wir eine andere intelligente Lebensform entdecken, mit der wir kommunizieren könnten, würden wir womöglich unschätzbare Informationen über die Formalismen erhalten, mit deren Hilfe diese Zivilisationen den Kosmos erklären. Wir würden nicht nur unvorstellbare Fortschritte im Hinblick auf unser Verständnis vom Ursprung und der Evolution von Leben machen, sondern könnten sogar unsere Logik mit der potentiell weiterentwickelter Geschöpfe vergleichen.
    Noch weit spekulativere kosmologische Szenarien in der Kosmologie (zum Beispiel eines namens
Ewige Inflation)
sagen die Existenz multipler Universen voraus. Einige dieser Universen dürften möglicherweise nicht nur durch ganz andere physikalische Konstanten oder
Naturkonstanten
(zum Beispiel die Stärke gewisser Kräfte oder die Massenverhältnisse subatomarer Partikel) charakterisiert sein, sondern insgesamt komplett anderen Naturgesetzen gehorchen. Der Astrophysiker Max Tegmark vertritt die Ansicht, es sollte sogar zu jeder möglichen mathematischen Struktur ein Universum geben. Wenn dies wahr wäre, hätten wir es mit einer Extremversion des Standpunkts «Das Universum
ist
Mathematik» zu tun – es gibt nicht nur
eine
Welt, die sich mit Mathematik gleichsetzen lässt, sondern eine ganze Menge davon. Leider ist diese Spekulation nicht nur radikal und gegenwärtig unhaltbar, sondern sie scheint auch (zumindest in ihrer einfachsten Form) dem zu widersprechen, was man als
Prinzip des Mittelmaßes
bezeichnet. Wie in Kapitel 5 erläutert, besteht, wenn Sie zufällig eine Person auf der Straße herauspicken, eine Chance von 95 Prozent, dass deren Körpergröße irgendwo innerhalb eines Intervalls von zwei Standardabweichungen von einer mittleren Körpergröße liegt. Ähnliches sollte auf die Eigenschaften von Universen zutreffen. Nun nimmt aber die Zahl an möglichen mathematischen Strukturen mit zunehmender Komplexität dramatisch zu. Das bedeutet, dass die meisten «mittelmäßigen» Strukturen (diejenigen, die sich in der Nähe des Mittelwerts befinden) ungemein komplex sein sollten. Dies aber scheint der relativen Schlichtheit unserer Mathematik und unserer Theorien über das Universum zuwiderzulaufen undverletzt so die naheliegende Erwartung, dass unser Universum ein typisches sein sollte.
Wigners Mysterium
    «Ist Mathematik eine Schöpfung oder eine Entdeckung?» ist also die falsche Frage, denn sie macht glauben, dass die Antwort nur Entweder oder lauten kann und dass die beiden Möglichkeiten sich gegenseitig ausschließen. Ich möchte vielmehr annehmen,

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