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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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(1943–2005), der häufig der geistige Vater des Macintosh genannt wird, vertritt eine ähnliche Ansicht, er betont vor allem die Rolle der Logik. Raskin kam zu dem Schluss, dass
    die menschliche Logik uns durch die physikalische Welt aufgedrängt wurde und deshalb mit dieser konsistent ist. Mathematik leitet sich aus der Logik her. Das ist der Grund dafür, dass Mathematik mit der physikalischen Welt im Einklang steht. Es gibt da kein Geheimnis – obschon wir unser Staunen und unser Gefühl der Verwunderung angesichts des Wesens der Dinge nie verlieren sollten, nur weil wir sie besser verstehen lernen.
    Hamming war allerdings von der Schlagkraft seines eigenen Arguments weit weniger überzeugt. Er gab zu bedenken,
    wenn Sie das Zeitalter der Wissenschaft mit einer Dauer von ungefähr 4000 Jahren veranschlagen, kommen Sie auf maximal 200 Generationen. In Anbetracht dessen, dass wir nach Evolutionseffekten suchen, die durch die Selektion unter kleinen Zufallsvarianten bewirkt werden, will mir nicht scheinen, dass die Evolution mehr als einen winzigen Teil der Effizienz von Mathematik erklären kann.
    Raskin glaubt, dass «die Grundlagen für die Mathematik vor langer Zeit, vermutlich vor Millionen Jahren, bei unseren Vorfahren gelegt wurden». Ich muss allerdings sagen, dass ich dieses Argument nicht allzu überzeugend finde. Selbst wenn die Logik bereits im Gehirn unserer Vorfahren tief verankert gewesen sein sollte, ist nicht recht einzusehen, wie sich diese Fähigkeit zu den abstrakten mathematischen Theorien einer subatomaren Welt wie der Quantenmechanikhätte auswachsen sollen, die eine ungeheure Genauigkeit voraussetzen.
    Bleibt zu erwähnen, dass Hamming seinen Artikel mit dem bemerkenswerten Eingeständnis schloss, dass «alle Erklärungen, die ich gegeben habe, in der Summe schlicht nicht ausreichen, das zu erklären, was ich mir vorgenommen hatte» (sprich: die unbegreifliche Erklärungsmacht der Mathematik).
    Sollten wir also mit dem Eingeständnis schließen, dass uns die Erklärungsmacht der Mathematik noch immer genauso rätselhaft ist wie am Anfang?
    Lassen Sie mich, bevor wir aufgeben, versuchen, den Kern von Wigners Fragestellung herauszudestillieren, indem wir die
wissenschaftliche Methode
unter die Lupe nehmen. Wissenschaftler erfahren Tatsachen über die Natur vor allem durch Experimente und Beobachtungen. Diese Fakten werden dann zunächst dazu verwendet, ein qualitatives Modell der beobachteten Phänomene zu entwickeln (etwa, die Erde zieht einen Apfel an, kollidierende subatomare Partikel können neue Partikel entstehen lassen, das Universum dehnt sich aus und so weiter). In vielen Zweigen der Wissenschaft bleiben auch die so aufgestellten Theorien ihrer Natur nach nichtmathematisch. Eines der besten Beispiele für eine Theorie von ungeheurer Erklärungsmacht ist die Darwin’sche Evolutionstheorie. Auch wenn die Theorie der natürlichen Selektion nicht auf einem mathematischen Formalismus basiert, war ihr Erfolg bei der Erklärung des Ursprungs von Arten bemerkenswert. In der physikalischen Grundlagenforschung hingegen besteht der nächste Schritt in der Regel in dem Versuch, mathematische, quantitative Theorien zu konstruieren (beispielsweise die allgemeine Relativitätstheorie, die Quantenelektrodynamik und so weiter). Am Ende verwenden die Wissenschaftler jene mathematischen Modelle dazu, weitere Phänomene, Teile und Ergebnisse von bislang noch nicht durchgeführten Experimenten und Beobachtungen vorherzusagen. Was Wigner und Einstein verblüffte, war der unglaubliche Erfolg der beiden letzten Schritte. Wie ist es möglich, dass Physiker wieder und wieder imstande sind, mathematische Werkzeuge zu finden, die nicht nur die vorhandenen Versuchs- und Beobachtungsergebnisse erklären, sonderndarüber hinaus zu völlig neuen Einsichten und Vorhersagen führen?
    Ich will versuchen, mich mit einem wunderbaren Beispiel des Mathematikers Reuben Hersh einer Antwort für diese Version unserer Frage zu nähern. Hersh vertrat den Standpunkt, man solle bei der Analyse von Problemen dieser Art in Mathematik und theoretischer Physik stets den einfachsten aller möglichen Fälle heranziehen. Betrachten Sie folgendes scheinbar triviale Experiment: Sie legen Steinchen in eine undurchsichtige Urne. Angenommen, Sie legen als Erstes vier weiße Steinchen hinein, danach sieben schwarze. Irgendwann im Laufe der Geschichte haben Menschen gelernt, dass sie für gewisse Zwecke eine Anzahl von Steinchen beliebiger

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