Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Tochter. Sie entzog sich ihm emotional und sexuell völlig, ging nur noch in ihrem neuen Beruf und der Versorgung der Kinder auf.
Fassungslos saßen die beiden am Schluss vor einem leeren Topf, aus dem sie noch mehr rausgenommen hätten, wenn noch mehr da gewesen wäre. Bankrott.
Ich bat sie, den Topf imaginär wieder zu füllen. Mit den
Worten: Du könntest … und dann etwas auszudrücken, das wieder Wert in den Topf legen könnte. Es war rührend zu erleben, wie vorsichtig beide waren, sich vorzustellen, der andere täte etwas in den Beziehungstopf.
Sie begannen behutsam mit Kleinigkeiten.
Er: Du könntest mich einmal wieder anlächeln, wenn ich nach Hause komme. (Eine Münze)
Sie: Du könntest mir übers Haar streichen. (Eine Münze)
Es flossen viele Tränen, aber der Topf füllte sich vor ihren Augen, und sie wurden mutiger.
Er: Wir könnten miteinander wieder einmal tanzen gehen. (Eine Münze)
Sie: Wir könnten einen Salsakurs besuchen. Ich würde so gern Salsa tanzen lernen. (Eine Münze)
Er (übermütig): Wir könnten nach Kuba reisen und da in eine Salsaschule gehen.
Sie: O ja. (vorsichtig) Meinst du, du könntest mich einmal wieder so liebevoll anschauen, wie du es immer bei Simone tust?
Er legt wortlos einen Taler in den Topf: Meinst du, du könntest es dann auch sehen?
Beide staunten am Schluss, wie sich der Topf wieder gefüllt hatte. Lauter Dinge, die ihnen unfassbar leicht vorkamen. Die nur Aufmerksamkeit verlangten und manchmal über den eigenen Schatten zu springen.
Sie beschlossen, gemeinsam drei Wochen nach Kuba zu reisen, ohne Kinder, eine Reise, um einander als Liebespaar wiederzufinden. Es war ein Anfang. Es war nicht sofort alles wieder gut, der Topf musste erst noch gefüllt werden, und ein wirkliches Verstehen und Verzeihen musste noch geschehen. Aber beide hatten einander gezeigt, dass sie bereit waren, in ihre Liebe zu investieren.
Wer seid ihr – und wenn ja, wie viele?
Auch ein Paar hat eine Identität
Ein wundervoller Titel des Buches von Precht: »Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?«. So wie jeder Mensch völlig einzigartig ist, so ist auch jedes Paar ein Unikat. Und so wie es die Möglichkeit gibt, für diese vielen einzigartigen Menschen dennoch übergeordnete Größen herauszufiltern, die sie gemeinsam haben, so gilt dies auch für Paare. Und so wie es förderlich ist für das Selbstbewusstsein, sich mit den vielen Anteilen der eigenen Identität zu beschäftigen, gilt dies auch für Paare.
Wer seid ihr? Zum einen seid ihr zwei einmalige Individuen, die jeweils unterschiedliche Seiten bestenfalls in sich vereinen, schlimmstenfalls von ihnen zersplittert werden. Der Mann, das Tier, der Zivilisierte, der Vater, der Berufstätige, der Sohn, der Sohn des Vaters, der Sohn der Mutter, der Freund, der Freund der Freundin, der Freund des Freundes. Oder aber die Archetypen: der Krieger, der König, der Liebhaber, der Narr, um nur einige zu nennen. Das Gleiche gilt für die Frau. Und dann mischen sich die individuellen Persönlichkeitsanteile zu den vielfältigen Seiten des Paares: Eltern. Liebende. Streitende. Gastgeber. Reisende. Hausbauende. Kaufende. Wohnungssuchende. Sozial Engagierte. Unzufriedene. Gelangweilte. Schimpfende. Und so weiter. Und alles wieder geprägt durch die unterschiedliche Kombination von zwei Individuen. Die Königin und der Narr. Die Prinzessin und der Jäger. Die Tyrannin und der Bürokrat. Die Sammlerin und der Geizige. Der Angsthase und die Xanthippe.
All das kann wieder gemischt werden wie Tarotkarten, und es ergibt nicht nur mit unterschiedlichen Partnern völlig verschiedene Kombinationen, ein Paar mischt es auch untereinander. Wenn du der Narr bist, werde ich die Königin, die den Laden zusammenhält. Wenn du der Krieger bist, werde ich die Prinzessin, die dich besänftigt. Wenn du der Liebhaber bist, werde ich die Geliebte und gebe mich dir hin.
Glückliche Paare ergänzen sich bei diesen Rollenspielen. Wenn er führt, schmiegt sie sich an. Wenn sie zur Xanthippe wird, wird er zum König und bleibt gelassen.
Wenn Paare nicht auf Ergänzung aus sind, sondern auf Gegensätzlichkeit oder Konkurrenz, kämpfen sie um die Pole: Wenn er führt, will sie auch führen. Wenn sie zänkisch wird, zankt er gleich mit. Wenn sie ängstlich die Kontrolle behalten will, bekommt er sofort Angst, die Kontrolle zu verlieren. Daraus werden Paare, die einander nicht polar ergänzen, die ihre unterschiedlichen Seiten nicht in die Partnerschaft
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