Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

sagt: So kann ich nicht schlafen! Ein Mann stürmt wie ein Stier aus dem Bett, ins Badezimmer. Mein Herz rast, ich bin erschrocken aus dem Schlaf gestürzt. Er kommt zurück, legt sich auf die andere Seite des Bettes, ganz ohne Decke, sagt: Vielleicht könntest du auch mal etwas kooperativ sein!
    Nun, das Ganze ist natürlich völlig respektlos. Er behandelt mich wie eine Wanze, die ihn gebissen und aus seinem Bett vergrault hat, dabei hatte er mich selbst eingeladen.
    Machen wir es kurz: Er ist kein Scheusal, er behandelt mich auch nicht ständig respektlos, aber das ging über eine Grenze. Klar versteht jeder, dass er sich wahrscheinlich in seinem Raum bedrängt und bedroht gefühlt hat. Dennoch weiß jetzt auch jeder Leser, dass so ein Verhalten keine Grundlage für Vertrauen ist. So sind wir manchmal. Nicht nur er. Auch ich. Auch du. Auch sie. Wenn er sich danach allerdings nicht entschuldigt hätte, wenn er am nächsten Morgen nicht in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass er sich respektlos und vertrauenzerstörend verhalten hatte, dann hätte es ein dickes Problem gegeben. Denn dann wäre er nicht ehrlich zu sich selbst gewesen und hätte sich nicht mit seinem Verhalten auseinandergesetzt.
    Was will ich damit sagen? Es geschieht immer wieder. Wir behandeln einander wie ein Ding, wie etwas Selbstverständliches, so wie wir niemand anderen behandeln würden: rücksichtslos, respektlos, lieblos, unaufmerksam, all das. Wir lügen einander an. Und wir zerstören Vertrauen. Es geschieht. Nicht nur in unserer Beziehung. Nicht nur mit diesem Partner, es geschieht immer wieder.
    Das ist keine Entschuldigung. Es ist eine Aufforderung zur Achtsamkeit, zum Aufmerksamsein. Würde und Würdigung hängen eng zusammen. Ein Partner, dem ich die Würde durch respektloses Verhalten raube, wird von mir nicht gewürdigt. Er wird für selbstverständlich genommen
und nicht gehegt und gepflegt als ein wertvoller Schatz. Nur, leider, ist er dann irgendwann weg. Weil nur die wenigsten Menschen auf die Dauer belogen und respektlos behandelt werden wollen. Den meisten reicht es irgendwann, und dann sagen sie: Ich kann dir nicht vertrauen. Oder einfach: Ich fühle mich nicht mehr wohl mit dir. Oder manche sagen auch: Ich liebe dich nicht mehr. Letztere sind oft diejenigen, die alles auf sich nehmen. Die nicht sagen: Du hast mich einfach zu lange lieblos, respektlos, wie ein Möbelstück behandelt, aber ich bin ein Mensch.
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    Wem schenkst du Vertrauen?
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    Wem misstraust du?
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    Was darf niemand von dir wissen? Was verheimlichst du?
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    Was verheimlichst du sogar vor dir selbst?
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    Wofür schämst du dich?
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    Wofür verurteilst du dich?
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    Was traust du dich nicht auszuleben?
    All deine Antworten zeigen deine wahren Sehnsüchte und Schwächen und Ängste. Je mehr du sie ablehnst, vor dir selbst leugnest und in deiner Partnerschaft abspaltest, umso mehr entfernst du dich von dir – und von deinem Partner. Je mehr du zu ihnen stehst, dich zu ihnen bekennst, umso authentischer wirst du, umso mehr respektierst du dich selbst, und umso mehr respektierst du deinen Partner.
     
    Ich habe gerade mit großem Vergnügen und Respekt das Büchlein von den Lebert-Brüdern über Männlichsein gelesen. Sie beschäftigen sich mit der verwaschenen und schwächlichen Männeridentität, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Sie sprechen vom Mann ohne Eigenschaften. Bequem, feige, sich selbst ständig mit irgendetwas vor der Verantwortung drückend. Sie sagen, das ist nicht nur
für Männer und ihre Frauen tragisch, es ist ein gesellschaftliches Desaster. Ja, ich glaube, da ist etwas dran.
    Nun beschäftige ich mich mit der Heilung von Beziehungen und nicht gleich der ganzen Gesellschaft, obwohl es natürlich riesige gesellschaftliche Auswirkungen hat, wenn Frauen und Männer sich gegenseitig in ihrer Entwicklung stärken, wenn Frauen und Männer eine erfüllende und kraftspendende Liebe leben. Manchmal glaube ich, dass das von vielen nicht gewollt ist, denn es wird nicht wenig daran verdient, dass Frauen und Männer in ihrer Identität schwach sind, nicht mutig, nichts aushalten. Ganze Industrien leben davon, dass Frauen und Männer schwächliche, mickrige, verlogene und ständig gefährdete Verbindungen eingehen: Single-Börsen, Seitensprung-Agenturen, Erotik-Services und so weiter. Kraftvolle Frauen müssen sich nicht mit Frustkäufen trösten, kraftvolle Männer verschwinden nicht bis zur Unkenntlichkeit hinter