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Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Titel: Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Vesper
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retten und verschwinden, sondern die Fähigkeiten nutzen, die ihr zur Verfügung standen. Sie wollte ihn im Wasser behalten, bis er wieder zu sich käme, so dass keine andere Frau dazwischenfunken konnte. Sie wollte ihre Schwestern zu Hilfe rufen, damit sie ihn gemeinsam auf den Wellen tragen könnten. Sie wollte dafür sorgen, dass er sie im Augenblick des Augenaufschlagens, in diesem sensiblen Moment der Öffnung, sehen, »erkennen« könnte. Sie wollte sich Zeit lassen und nicht anstrengen, um ihn ans sichere Ufer zu bringen. Und sie wollte darauf achten, dass er auch seine eigenen Kräfte nutzte.
    Wenn er am Ufer ist, wird sie zurücktauchen in ihr Element, wieder Kraft sammeln, ihren Körper, ihre Schönheit, ihre Fähigkeiten wieder genießen. Und dann wird sie sich wie die Loreley auf einen Felsen setzen, die langen Haare
kämmen und über den Brüsten Girlanden aus Wasserrosen tragen. Und sie wird ein Lied der Liebe singen, eine Verheißung der Sehnsucht. Der Prinz muss seine Schwimmkünste vertiefen, um zu ihr zu gelangen. Das wird ihn stärker machen. Und Maria wollte einen starken Partner.
    Sie würden sich mal im Wasser vereinigen, ihrem Element, dem Element der Gefühle, und mal auf dem Land, seinem Element der Festigkeit, der Sicherheit. Und sie würden gemeinsame Opfer bringen. Er müsste seine Fähigkeit, sich im Wasser zu bewegen, entwickeln, die Herausforderung, sich in der Welt der Gefühle zu bewegen, annehmen, und sie würde ihren Fischschwanz zeitweilig gegen Beine eintauschen, vielleicht weniger flexibel und fluktuierend sein, dafür aber fester auf dem Boden der Tatsachen stehen. Allerdings wollte sie dafür nicht mit Schmerzen bezahlen. Sie wollte anderes investieren, vielleicht eine regelmäßige Huldigung an die Kräfte des Meeres und der Erde, vielleicht aber auch ihre Kreativität benutzen, um die Hexe zu erfreuen. Aber auch der Prinz müsste investieren: Er müsste der Hexe drei Proben abgeben, dass er es wirklich ernst meinte.
    Maria begann glücklich zu strahlen, während sie die Geschichte umschrieb. Sie merkte, wie stark sie die Rolle der kleinen Meerjungfrau in Beziehungen eingenommen hatte. Sie war von unendlicher Anpassungsbereitschaft gewesen, wenn sie einen Mann liebte. Sie war bereit gewesen, alles Mögliche aufzugeben, nur um bei dem Mann zu sein, den sie liebte. Sie war sogar verstummt wie die Meerjungfrau und hatte ihre Bedürfnisse nicht mehr geäußert. Irgendwann aber hatte sie sich immer in Luft aufgelöst und war verschwunden. Wenn sie jetzt Ralf verließe, würde sie das Gleiche tun, das bereitete ihr Sorge.
    Ralf fielen zuerst keine Märchen oder Geschichten ein, die ihn geprägt hatten, doch dann kam er zu der Geschichte von Hans im Glück. Hans erhält für sieben Jahre Dienen einen Klumpen Gold. Auf dem Heimweg allerdings springen
ihm immer wieder irgendwelche Dinge ins Auge, die er begehrenswert findet, und so tauscht er das Gold gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die gegen ein Schwein, das gegen eine Gans, die Gans gegen einen Stein, den ihm ein Schleifer als Wetzstein andreht. Den schweren Stein verliert er schließlich im Brunnen. Am Schluss, als er nichts mehr hat, beglückwünscht er sich zu seiner Freiheit und geht zu seiner Mutter zurück.
    Während Ralf erzählte, merkte man ihm an, dass ihm der Verlauf der Geschichte peinlich war. Er äußerte skeptisch, dass einen so ein Kindermärchen doch nicht wirklich prägen könne. Doch dann sagte er zerknirscht, dass ihm doch manches bekannt vorkomme. Er könne nur schwer an einer Gelegenheit vorübergehen. Sonst habe er das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Auch früher hatte er nach anderen Frauen geguckt, wenn er eine »fest« hatte. Und den Selbstbetrug am Schluss der Geschichte kannte er auch: Wenn eine Frau ihn verlassen hatte – weil sie sich nicht genügend gesehen und geliebt gefühlt hatte –, war er durchaus traurig, aber gleichzeitig empfand er auch die Leichtigkeit und Befreiung von der Last, auf die Bedürfnisse der Frau eingehen zu müssen. Ich fühle mich schnell unter Druck gesetzt, sagte er nachdenklich. Wenn eine Frau etwas von mir verlangt, empfinde ich Einengung und Unfreiheit.
    Maria sagte lachend, doch ohne Fröhlichkeit: Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich etwas als mein Bedürfnis ausdrücken muss, wenn ich will, dass Ralf es auf keinen Fall tut. Das ist todsicher! Sie berichtete von vielen kleinen Episoden, wo sie Ralf ihre Bedürfnisse mitgeteilt hatte und er diese auf die

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