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Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Titel: Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Vesper
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sogar sein berufliches Selbstbewusstsein, er hat Mühe, seinen Status in
der Männergesellschaft zu behaupten, und sie hat eine verbitterte Abneigung gegen alles entwickelt, was besonders weiblich ist, sie nennt es »tussenhaft«.
    Im Allgemeinen aber, wenn am Anfang alles »gesund« und konfliktfrei läuft, bestätigt die Frau den Mann in seiner Macht, und der Mann bestätigt die Frau. Beide fühlen sich in ihrer vollen Potenz, die Frau als Frau, der Mann als Mann. Die Machtkämpfe beginnen dann, wenn die Liebe tiefer wird und ein Gefühl von Abhängigkeit aufkeimt.
    Im anfänglichen Spiel zwischen Mann und Frau geht es um Bestätigung: Du hast Macht über mich, ich habe Macht über dich, du bist ein toller Mann, ich bin eine tolle Frau. Es ist zwar dieser Mann und diese Frau, aber im Grunde sind sie austauschbar. Es hätte auch ein anderer gewesen sein können, auf den das Auge und die Lust fällt. Affären, One-Night-Stands, unernste Flirts, Seitensprünge, all das bietet dieses Machtgefühl der Attraktivität: Ich tu etwas, und er oder sie reagiert stark auf mich. Die Betonung liegt auf stark. Erst wenn die Reaktion stark ist, entsteht der Machttriumph.
    Doch in einer wachsenden Liebesbeziehung vertieft sich das Gefühl der Liebe, der andere wird immer einzigartiger, immer besonderer, also weniger austauschbar für mich. Ein Gefühl der Abhängigkeit kommt auf. Das Gegenteil von Macht. Ich spüre nicht mehr meine Macht über den andern, sondern nur noch seine über mich. Und so will ich mich nicht fühlen: ängstlich, du könntest mich nicht mehr toll finden, wenn du mich wirklich kennenlernst, aber ich finde dich immer noch toll. Dann bin ich der Unterlegene. Ängstlich, du könntest deine Macht über mich missbrauchen (und das kenne ich schließlich von Mama, Papa, Geschwistern oder früheren Lieben), und dann wäre ich plötzlich dein Geschöpf, deine Marionette. Ängstlich, vernichtet zu sein, wenn du deine Macht gegen mich ausspielst, mich im Streit besiegst, dich sexuell verweigerst …
    Und die Machtkämpfe beginnen. Sie haben vielerlei Gesichter. Es gibt die banalen, wo über Lächerlichkeiten gestritten wird und es unablässig und ungeschönt darum geht, wer der Bestimmer ist. Wer sagt, wo’s lang geht. In diesen Beziehungen fliegen ständig die Fetzen. Man streitet, sobald auch nur die kleinste Differenz an Anschauung, Gewohnheit, Wert, Meinung, Verhalten, Geschmack auftaucht. Es geht dabei ausschließlich um Macht: Wer ist oben?
    Jeder Paartherapeut weiß, dass diese beiden Kontrahenten eigentlich eine gute Prognose haben. Sie sind offenbar gleich stark. Sie kehren nichts unter den Tisch. Sie sind intensiv auf die Beziehung fokussiert. Sie erteilen sich gleichzeitig Macht, obwohl sie sie einander auch ständig wieder wegnehmen, denn die Reaktion aufeinander ist stark. Beide haben das große Interesse daran, sich wieder mit dem andern so bestätigt und eins zu fühlen wie am Anfang. Beide haben die gleiche Angst vor Abhängigkeit. Wenn diese beiden ihrer Angst vor Abhängigkeit und ihrer Sehnsucht nach Intimität und Nähe ins Auge schauen, kann daraus ein wirklich gutes Paar werden.
    Gefährdeter und viel schwerer zu durchschauen sind die Paare, die nach der anfänglichen Bestätigung als Mann und Frau in ein Verhalten rutschen, das dem in der Phase der Verliebtheit völlig gegensätzlich ist. Erst lockt die Frau den Mann zwar noch, aber dann blockt sie. Sie verweigert die Hingabe und übt statt weiblicher Macht eine kontrollierende Dominanz aus. Wo er also, um es im Umgangston zu sagen, nur noch »ran darf«, wenn er kuscht. Das ist ein übles Spiel, weil es den Mann seiner männlichen Würde beraubt. Er spürt seine sexuelle Abhängigkeit, und sie hat die Fäden in der Hand. Er wird einerseits als Mann immer »heißer«, gleichzeitig wird er aber immer ohnmächtiger. Frauen, die solche Spiele spielen, zahlen einen hohen Preis für ihren Triumph. Zu guter Letzt haben sie nämlich einen schwachen Partner. Der entmachtete Mann wird sie nicht beglücken,
denn er kann so natürlich als Liebhaber nicht wachsen, nicht reifer und raffinierter werden. Aber auch sie selbst sind nur vermeintlich stark und mächtig geworden. Sie haben zwar das Heft in der Hand, aber sie schreiben nicht mehr hinein. Sie haben sich ihrer Hingabefähigkeit beraubt.
    Dieses verwirrende Machtspiel geht auch andersherum. Der Mann verweigert seine männliche sexuelle Reaktion auf die Frau und macht sie so ohnmächtig: Sie kann ihre

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