Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Zepter in die Hand, stellte mich auf einen Stuhl und versammelte alle Männer der Gruppe vor mir. Nun sollte ich über sie herrschen. Sie verzaubern. Über sie bestimmen. Sie dominieren. Er wollte, dass ich meine Macht als Frau über Männer endlich spüre. Was ich spürte, war unendliche Scham und Hilflosigkeit. Bestimmen – ich über Männer? Dominieren? War ich denn eine Domina? Entscheiden, wie sie sich verhalten sollten? Diese Rolle wollte ich nicht spielen, wusste überhaupt nicht, wie das ging.
Damals habe ich Michael Cöllen deswegen gehasst, habe ihm anschließend einen wütenden Brief über Macht und Machtmissbrauch geschrieben. Heute muss ich über mich
selbst lachen. (Ich verwandelte übrigens alle Männer in Delphine: friedlich, freundlich, verspielt. Dass sie mir trotzdem nah kamen, empfand ich als Spielverderberei.) Ich habe mich so verhalten wie die meisten Frauen: Sie wollen ihre eigene Macht nicht wahrhaben und verhalten sich dann leider ohnmächtig, wo sie ihre Macht spüren und einsetzen könnten.
Macht spüren und einsetzen bedeutet übrigens nicht, etwas gegen den Partner zu tun, ganz im Gegenteil, es geht darum, für sich selbst einzustehen.
Wenn ich als Lehrtherapeutin arbeite, also andere Psychotherapeuten in ihrer Ausbildung begleite, nimmt das Thema Macht immer einige Zeit in Anspruch. Es gibt nämlich Berufe mit großer Macht über andere. Lehrer zum Beispiel, Ärzte, Hebammen, Priester, Künstler. Und Psychotherapeuten. Menschen mit Macht über andere
müssen
sich dessen bewusst sein, sie müssen sich damit auseinandersetzen, ansonsten ist die Gefahr des Missbrauchs gegeben. Vor allem anderen in der Liebe: Wir haben Macht über unseren Partner. Es ist dringend notwendig, sich dessen bewusst zu werden.
Viele Themen kreisen das große Thema Macht ein: Bewusstheit, Kampf, Spiel, Ohnmacht, Missbrauch, Verantwortung, Lust, Gefahr. Besonders wichtig ist die Bewusstheit. Mit Macht ist es wie mit allem anderen auch: Wenn wir unsere Augen davor verschließen, weglaufen, leugnen, lauert Gefahr im Verborgenen. Machen wir uns also so viel wie möglich bewusst: Wo begegnen wir der Macht in Liebesbeziehungen? Sie hat zu tun mit dem Einfluss, den wir aufeinander ausüben, mit den Impulsen, der Kraft unserer gegenseitigen Reaktion. Mit Sexualität. Mit der Veränderung, die der andere in uns bewirkt. Mit Stärke. Das alles kann äußerst positiv sein. Negativ wirken Machtkämpfe, Machtgerangel, Statuskämpfe, Unterdrückung von einem Partner durch den Stärkeren. Dann ist immer einer oben. Und der andere wird schlimmstenfalls vollkommen ohnmächtig gemacht.
Wenden wir uns zuerst dem Positiven zu: Du hast Macht über deinen Partner. So beginnt die Angelegenheit in der Liebe. Immer. Du lächelst, und er bekommt rote Ohren. Du berührst ihre Brüste, und sie erschauert. Du erzählst einen Witz, und sie lacht. Du wackelst mit den Hüften, und er bekommt eine Erektion. Du weinst, und er wird weich und zärtlich. Du wirst laut, und sie gibt klein bei. Die Beispiele sind endlos.
Die anfängliche sexuelle Attraktion zeigt es deutlich: Wir lassen den andern die Macht spüren, die er über uns hat, und wir genießen die Macht, die wir über ihn haben. Die Frau hat die Macht, dass der Mann heiß auf sie ist, sie begehrt, in sie eindringen will, sie besitzen, also ihr Mann sein will. Der Mann hat die Macht, sie zu erregen, gefügig zu machen, dass sie ihn in sich hineinlässt, sich ihm hingibt, seine Frau ist. Am Anfang ist das so einfach, so archaisch. Wenn allerdings in dieser Phase bereits mit den einfachen elementaren Mann-Frau-Machtgefühlen und -Bestätigungen etwas schiefläuft, zieht sich das in die weitere Beziehung als Belastung hinein.
Klaus und Thea zum Beispiel sind seit Jahren zusammen, und vieles stimmt zwischen ihnen, aber am Anfang ihrer Beziehung war er mit anderen Dingen beschäftigt, hatte mehr Sehnsucht nach Spielautomaten als nach ihr – obwohl er sie liebte, so sehr liebte, dass er ihretwegen schließlich in Therapie gegangen ist, um die Spielsucht zu beenden –, aber es wirkte sich nun einmal so aus, dass sie an ihm sexuell viel interessierter war als er an ihr, dass sie die sexuellen Begegnungen initiierte und er sich verwöhnen ließ. Das wirkt sich bis heute negativ auf die Beziehung aus. Sie ist eine ziemlich verhärtete Frau geworden, und er fühlt sich bis heute als Mann nicht besonders selbstbewusst und kraftvoll. Die Konsequenzen sind enorm: Sie beeinträchtigen
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