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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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«Opferfest». Die arabisch
Musallâ
bzw. persisch
Namâzgâh
genannten offenen Plätze mit Gebetsnische, Kanzel und Waschungsbrunnen bilden auch die Grundbestandteile jeder Moschee mit dem Unterschied, dass sich über sie nur der offene Himmel wölbt. Die islamischen Juristen betonen das Vorrecht des Sultans, einen solchen Gebetsplatz
extra muros
einzurichten. An den Scheichülislam Süleymâns, Ebussuûd, wurde folgende Frage gerichtet:
    Wenn das Bayramgebet seit mehr als 30 Jahren außerhalb einer Stadt verrichtet zu werden pflegt, darf es dann jetzt noch weiterhin auf dem
Musallâ
verrichtet werden, auch wenn es nicht bekannt ist, dass das Bayramgebet mit Erlaubnis des Sultans abgehalten zu werden pflegte?
    Abb. 14: Namâzgâh und Brunnen der Esmâ Sultan in Kadırga (1781)
    Die Antwort lautete: Ja. Im Jahr 944 H. (1537/38 D.) erging eine allgemeine Erlaubnis des Sultans, dass der Freitagsprediger der großen Moscheen eines Ortes, der ein
Musallâ
besitzt, das Bayramgebet (hier) verrichten lässt. Ein später neu eingerichteter
Musallâ
bedarf jedoch der (besonderen) Erlaubnis.
    Interessant an dieser Rechtsauskunft (
fetvâ
) ist, dass der oberste Jurist sich auf den Sultan als Quelle für eine liturgische Frage beruft. Im ehemaligen, längst verlandeten Galeerenhafen (Kadırga Limanı) am Marmarameer kann man einen heute als Stadtpark angelegten
Namâzgâh
besichtigen. Da der Hafen ummauert war, erfüllte er die schon genannte Voraussetzung für eine Lage außerhalb der eigentlichen Stadtmauern. Der
Minber
erinnert zunächst an einen der im 18. Jahrhundert so beliebten Platzbrunnen. Nähert man sich von vorne, erkennt man, dass eine Treppe auf das Dach des Brunnens führt. So konnten die Prediger eine große Menschenmenge überblicken. Die lange Inschrift enthält einen Doppelvers, der die Funktion des Bauwerks nennt und auf den regierenden Sultan hinweist:
    Kommst Du hierher, nimm die Waschung vor, bete an diesem
Musallâ
und geh,
    Gott möge Abdülhamîd Hân ein langes Leben gewähren!
    Das Gebäude ist eine Stiftung der Esmâ Sultan (1726–1788) aus dem Jahr 1781. Sie war eine von 18 Töchtern Ahmeds III., die mit einem Pascha verheiratet wurde. Der ihr formell angetraute erste Mann starb, als sie noch ein Kind war. Nach einer weiteren Ehe wurde sie 1758 mit dem über fünfzigjährigen Muhsin-Zâde Mehmed Pascha verheiratet. Mehmed war damals Generalgouverneur (Beylerbeyi) von Aleppo. Später stand er zweimal als Großwesir an der Spitze des Staates (1765–1769, 1771–1774). Das Paar bewohnte, selten gemeinsam, denn der Pascha hatte außerordentlich häufig militärische Verpflichtungen in den Provinzen, ein großes, aus Holz gebautes Serail, in dessen Nähe der
Namâzgâh
der Esmâ entstand. Esmâ, deren politischer Einfluss nicht nur als Gattin eines Wesirs, sondern auch als Schwester zweier Sultane (Mustafâ III., 1757–1774, Abdülhamîd I., 1774–1789) beträchtlich war, liegt neben ihrem schon 1774 verstorbenen Mann in Eyüp begraben. Die Bezeichnung
Namâzgâh
führen auch kleine Einrichtungen, die häufig nur aus einem Brunnen und einer die Gebetsrichtung andeutenden Mauer mit oder ohne
Mihrâb
bestehen. Innerhalb Istanbuls hat man mindestens 153 dieser
open air
-Gebetsstätten gezählt, die heute mit wenigen Ausnahmen verschwunden sind. Von gewöhnlichen Brunnen unterscheiden sie sich, wenn ein
Mihrâb
fehlt, oft nur durch die Einhaltung der Gebetsrichtung und eine die Blicke abschirmende Mauer.
    Auf der aus Istanbul herausführenden «Heerstraße», dem berühmten Bagdad-Weg (Bağdat Yolu), gab es sogenannte Stations-
Namâzgâhs
(
menzil namâzgâhı
) in enger Folge bis zur Stadt Gebze. Nicht mehr an der ursprünglichen Stelle, aber in gutem Erhaltungszustand ist der datierbare
Namâzgâh
an der Südostecke der Selîmîye-Kaserne (1654). In Dudullu hat sich beispielsweise ein Adile Sultan Namâzgâhı erhalten. Auf der europäischen Seite konnte man nur eine geringere Zahl lokalisieren. Wahrscheinlich war es für Stifter attraktiver, den Bagdad-Weg, der ja auch von Pilgerkarawanen benutzt wurde, auszustatten und auf Fürbitten der Wallfahrer zu setzen. Der
Namâzgâh
innerhalb der ehemaligen Vormauern der Bosporus-Festung Anadolu Hisarı ist ein weiteres, leicht erreichbares Beispiel dieser Gebetsstätten.
Die Küchen der Stiftungskomplexe
    Das Wort
İmâret
wird heute fast ausschließlich für die Küchentrakte eines Moscheekomplexes verwendet. In frühosmanischer Zeit bezeichnete es die

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