Istanbul: Ein historischer Stadtführer
diente ab Anfang des Jahrhunderts als Museum für Türkisch-Islamische Kunst, wurde aber nach dessen Umzug in das İbrâhîm Paşa-Serail am Hippodrom in eine touristische Nutzung übergeführt. Im heutigen Istanbul führen übrigens noch zwei
İmârets
, eines bei der «Tulpenmoschee» (Laleli Cami), ein zweites in Eyüp (Mihrişâh), ihre soziale Aufgabe fort.
Anstatt uns mit den übrigen
İmârets
der Liste Evliyâs zu befassen, wollen wir einen Blick auf das Personal und den Küchenbetrieb der Fâtih-Stiftung werfen, wie sie sich nach einem Rechnungsbuch aus dem Jahr 1545 darstellen. Als Begünstigte der Küchen werden 1095 Personen, ohne Einbeziehung der Armen und Reisenden, genannt. Letztere erhielten bei ihrer Ankunft eine Portion Honig und ein
Fodla.
(1) Die 600 Studierenden an den acht Medresen der Fâtih-Stiftung und einiger anderer Schulen.
(2) Die Bewohner von vier benachbarten Derwischerien.
(3) Das gesamte Personal des Komplexes vom obersten Ulemâ bis zu den Trägern von Mehl und Brennholz. Zu den hauptamtlich Beschäftigten zählten auch die Ärzte der Krankenanstalt, ein Uhrmacher, ein Bibliothekar und 12 Gebetsrufer.
Es wurde zweimal täglich gekocht, morgens wurde eine Reissuppe ausgegeben, abends Weizengrütze. An Freitagen bildete Weizengrütze das Frühstück, abends gab es ein Reisgericht und eine Mehlspeise, die mit Honig, trockenen Feigen und Sultaninen verfeinert war. Im
Ramazân
wurden die Reis- und Fettrationen erhöht. Ansonsten wurden täglich 320
Okka
(ca. 410 kg) Hammelfleisch verarbeitet. Die auf den einzelnen Esser entfallene Fleischmenge (nach dem Kochen!) hat man mit 160 g berechnet.
X.
Katastrophen
Wer mit Evliyâ Çelebî die Moschee Sultan Süleymâns in Istanbul besucht und die Säulen im Vorhof einer näheren Betrachtung unterzieht, der kann noch heute eine kleine Entdeckung machen (vorausgesetzt er liest osmanische Schriftzeichen):
Diese Säulen, welche den Vorhof an seinen vier Seiten umgeben, tragen an ihrer Basis Ringe aus Bronze. Die Stiftung beschäftigt einen (eigenen) Ziseleur als Chronisten. Hier (das heißt auf den Bronzeringen) sind alle großen Ereignisse wie zum Beispiel Feuersbrünste, Thronbesteigungen, Erdbeben und Revolten aufgezeichnet. Es sind wahrhaft sonderbare datierte Säulen.
In Wirklichkeit benötigen wir die z.T. noch leserlichen Graffiti der Süleymaniye nicht, um eine Liste der natürlichen und menschengemachten Katastrophen aufzustellen, die Istanbul heimgesucht haben. Die Zahl verheerender Brände und vernichtender Erdbeben ist groß und erschreckend. Joseph von Hammer-Purgstalls 1822 erschienene «örtliche» und «geschichtliche» Beschreibung von «Constantinopel und dem Bospor0s» enthält im «Zweyten Hauptstück» über das «Klima» von Istanbul ein Erdbebenkapitel. «Erdbeben ist nicht minder als Brand bey den osmanischen Geschichtsschreibern ein stehender Artikel», schrieb der Vater aller Osmanisten. Hammer-Purgstall meint mit «stehenden Artikeln» die «so oft wiederkehrenden Beschreibungen» dieser Heimsuchungen in den Chroniken. Andere Naturkatastrophen wie Unwetter oder extreme Winter waren erheblich seltener. Epidemien wie Pest und Cholera traten dagegen in Istanbul wie im Abendland so häufig auf, dass der Prozesscharakter das isoliert Ereignishafte – und damit Berichtenswerte – zu überdecken scheint. Wir dürfen vermuten, dass für die Epoche vor den Kriegen des 19. Jahrhunderts städtische Katastrophen im Leben der meisten Menschen schärfere, erinnerungsmächtigere Einschnitte bildeten als Thronantritte oder Belagerungen, Seesiege und Landschlachten.
Wenn man das Inhaltsverzeichnis einer osmanischen Chronik aufschlägt, entsteht tatsächlich der Eindruck, dass neben der sorgfältigenBuchführung von Ernennungen, Absetzungen und Verbannungen von Würdenträgern, dem Auslaufen der Flotte und dem Eintreffen des ägyptischen Tributs vor allem Brände und Erdbeben registriert wurden. Im 17. Jahrhundert wurden in Istanbul 22 größere Feuer gezählt. Im 18. Jahrhundert fallen auf «nur» 34 Kriegsjahre mehr als 25 Schadenfeuer! Osman Nuri Ergin kommt in seiner monumentalen «Dokumentation über die städtischen Angelegenheiten» auf 229 Brände zwischen 1853 und 1906, d.h. auf mehr als vier Feuer im Jahr:
Brände sind untrennbar verbunden mit dem aus Holz errichteten Istanbul und bilden eine einzige Unglückschronik. Das Sprichwort «Feuer in Istanbul, Seuchen in Anatolien» (
İstanbul’un yangını, Anadolu’nun
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