Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Sängers Lohn
Eine weitere, besonders bekannte, im Stadtbild aber viel auffälligere Moschee ist die Kılıç Ali-Paşa Camii in Tophane. Sie wird übereinstimmend als eine der ungewöhnlichsten Bauten Sinâns «und der osmanischen Architektur überhaupt» hervorgehoben. Der folgende Auszug aus Evliyâ wirft ein Schlaglicht auf die Persönlichkeit des Stifters. Ali Pascha war kalabrischer Abstammung und diente sich bis zum Oberbefehlshaber derMarine (Kapudan Paşa) hoch. Er starb 1587 im Amt. Zuvor hatte er seinen Stiftungskomplex vollenden können.
Unter den Feingeistern ist sehr wohl bekannt, dass Kılıç Ali Pascha einer der nordafrikanischen Konvertiten war und (nur) seinen fränkischen (also süditalienischen) Dialekt beherrschte. Nach der Vollendung der Moschee versammelten sich sämtliche Wesire und Würdenträger zum ersten Freitagsgebet in der Moschee. Als das Prophetenlob des dafür bestallten Sängers ziemlich exaltiert rezitiert wurde, sprang Ali Pascha auf und schrie den Rezitator an: «Was soll dieses
gû gû gû
und
hin kû kû
, sind wir hier in einem Weinhaus oder in meiner geliebten Bozaschenke?» Die Wesir neben ihm: «Mein Herr, es handelt sich um das Lob unsres erhabenen Propheten.» «Ja ist es denn möglich, dass man unseren Herrn Muhammad mit diesen
gû gû gû
loben kann?» Sie antworten: «Ja mein Herr, das ist möglich.» «Wie viele
Akçe
habt ihr dafür als Honorar ausgesetzt, schaut mal im Kassenbuch nach!» – «Mein Herr, es sind 10
Akçe
.» «Und auf diesem Predigtstuhl singt einer, der unseren (regierenden) Sultan Murâd (III.) lobt. Wieviel
Akçe
bekommt der?» «Bei ihm sind es 40
Akçe
.» (Daraufhin) sagte er: «Ist unser Herrscher größer oder unser erhabener Herr Muhammad?» Sie antworten: «Mein Herr, der erhabene Muhammad ist größer.» «Dann legt rasch für den
gû gû gû
-Sänger unseres Herrn Muhammad ebensoviel
Akçe
, nämlich 40, fest wie für den Sänger zum Gedenken des Herrschers …»
Evliyâ beendet diese Anekdote aus dem Leben des berühmten Konvertiten mit dem Satz: «Jeden Freitag setzte sich Ali Pascha vor die Moschee und teilte einen Beutel Gelds an die Armen als Spende aus.»
Die Moschee Sultan Ahmeds I.
Da die «Blaue Moschee» Sultan Ahmeds I. (1603–1617) am Hippodrom neben der Hagia Sophia wohl das bekannteste Postkartenmotiv Istanbuls ist, sollen hier einige Detail aus Evliyâs Beschreibung nicht fehlen, zumal der Autor Informationen aus erster Hand weitergibt. Evliyâ spricht von der notwendigen Enteignung von fünf Wesirserails für den Baugrund. Aus anderen Quellen wissen wir, dass Sultan Ahmed ursprünglich entferntere Bauplätze wie das Serail des Cağaloğlu ins Auge gefasst hatte. Die Stadtsilhouette Istanbuls hätte dann an Stelle des auffälligen Baus des Istanbul Lisesi (der alten
Dette Publique
-Verwaltung) einen anderen Akzent erhalten. Bei der Grundsteinlegung im Jahr 1609 sprach der damals einflussreichste Ordensscheich, Üsküdarî Mahmûd Efendi, ein Gebet. Auch Evliyâ Çelebîs
spiritus rector
, Evliyâ Efendi, war zugegen. Drei Jahre späterkonnte die Kuppel geschlossen werden, 1617 war die Moschee, 1619 der Gesamtkomplex abgeschlossen.
Da Ahmed Hân als sechzehnter Sultan (der osmanischen Dynastie) diese Moschee erbaute, hat sie, in symbolischer Weise, sechs Minarette und 16 Balkone (für die Gebetsrufer) … In allen gesegneten Nächten werden diese Minarette mit zwölftausend Lichtern erleuchtet, so dass ein jedes von ihnen wie eine leuchtende Zypresse glänzt.
Evliyâ ist daran gelegen zu sagen, dass die Türflügel des Hofeingangs nicht, wie einige Leute behaupten, aus dem ungarischen Esztergom stammten, denn diese hätten die deutschen Ungläubigen bei ihrer vorübergehenden Einnahme der Stadt (1595) schon nach Wien entführt. Die Tür sei vielmehr das Werk seines Vaters, des Goldschmieds Derwisch Mehmed Zillî. Bei der Einweihung der Moschee seien Geschenke aus allen Ländern eingetroffen. Der Stadthalter der osmanischen Provinz Abessinien, Cafer Pascha, stiftete sechs Smaragdleuchter für die Sultansloge. Dem Verwalter überreichte man 9000 gebundene Bücher, derengleichen man vergeblich bei Fürsten und Scheichülislamen suche.
Beten unter offenem Himmel:
Ein Namâzgâh und seine Stifterin
Eine in der Türkei ganz in Vergessenheit geratene Andachtsform ist das Gemeinschaftsgebet unter freiem Himmel an den beiden hohen islamischen Feiertagen (osmanisch
Bayrâm
), dem «Fest des Fastenbrechens» und dem
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