Istanbul: Ein historischer Stadtführer
mochte,
das
herausragende Ereignis während der Belagerung. Dadurch wurde ihre militärische Operation in den Zusammenhang mit der frühislamischen Geschichte gestellt und legitimiert. Evliyâ folgt in seinem Bericht einer Überlieferung, die das Grab außerhalb der Mauern annahm. Der Gelehrte und Mystiker Akşemseddîn, dem die Schlüsselrolle bei der Auffindung zukam, war der Lehrer Mehmeds II. Noch heute gilt er als der «spirituelle Eroberer» Istanbuls. Er leitete das erste Freitagsgebet in der Hagia Sophia, anderen Ehrungen gegenüber blieb er unempfindlich und zog sich nach Anatolien zurück, wo er 1459 gestorben ist.
Als Sultan Muhammad Hân Gâzî (d. i. Mehmed II.) İslâmbol eroberte, suchte er mit 77 verehrungswürdigen Gottesmännern sieben Tage nach dem Grab von Ebû Eyüb. Am Ende verkündete der heilige Akşemseddîn: «Frohe Botschaft, mein Herr, der Standartenträger des Gesandten Ebû Eyüb ist an dieser Stelle begraben!» Indem er so sprach, wandte er sich zu einer stark mit Bäumen und Büschen bewachsenen, parkähnlichen Gegend und verrichtete auf einem Teppich zwei Gebetsübungen. Nach der Grußformel warf er sich noch einmal nieder und verharrte so, als sei er in Schlaf versunken. Nicht wenige schmähten ihn mit Reden wie: «Der Efendi hat aus Scham, weil er Eyübs Grab nicht gefunden hat, den Schlaf gesucht!» Nach einer Stunde hob Akşemseddîn das Haupt von seinem Gebetsteppich. Seine gesegneten Hände hatten sich in blutige Schalen verwandelt, seine Haut war mit Schweiß übergossen. Er wandte sich alsogleich an Ebulfeth (d. i. Mehmed II.): «Mein Herr, durch Gottes Vorsehung habe ich meinen Gebetsteppich genau über dem Grab von Ebû Eyüb ausgebreitet. Man mache sich sofort daran, es freizulegen!» Drei Derwischbrüder des Şemseddîn machten sich ans Werk, und auch Ebulfeth begann, unter Akşemseddîns Gebetsteppich zu graben. Als sie drei Ellen tiefer waren, kam ein viereckiger Stein aus grünem Porphyr zumVorschein. Auf dem Stein stand in kufischem Duktus (und arabischer Sprache) «Dies ist das Grab von Ebû Eyüb». Unverzüglich hoben sie den überaus harten Grabstein hoch. Eyübs Körper, der seit <…> (hier ist für die Jahreszahl ein Zwischenraum gelassen) in einem safrangelben Leichentuch lag, wurde frisch und lebendig aufgefunden. An seiner rechten Hand steckte ein Siegelring aus Bronze. Sie bedeckten ihn, ohne etwas zu verändern, erneut mit dem grünen Stein … Die heute existierende, lichterfüllte Kuppel über dem Bau, die Moschee, die Medrese, der Hân und dasHammam sowie das Speisehaus und der Markt sind alles Bauten von Ebülfeth Gazi.
Plan 11: Der Wallfahrtsvorort Eyüp mit den größeren Grabbauten
Abb. 18: Eyüp Moschee und Pilger
Obwohl der Besuch der Türbe Eyübs beim Thronantrittszeremoniell der Sultane obligatorisch war und obwohl die Moschee von zahlreichen Mausoleen und Friedhöfen umgeben ist, hat sich nur Mehmed V. Reşâd, der 1918 verstorbene, vorletzte Vertreter der Dynastie, in diesem Stadtteil beisetzen lassen. Mimâr Kemâleddîn erhielt den Auftrag für die Baugruppe schon zu Lebzeiten. Der Kammerherr Lütfü Simâvî Bey notierte unter dem 28. Juni 1910:
Seine Majestät empfing den Architekten Kemâleddîn Bey … Sie hatte seit den Tagen ihrer Thronbesteigung beschlossen, für sich in Eyüp ein Mausoleum mit einer danebenliegenden Schule errichten zu lassen und Kemâleddîn Bey mit dieser Aufgabe zu betrauen. Sultan (Mehmed) Reşâd (V.) liebte das Wasser und die Stimmen der Kinder …
Die Schule neben dem Grab Mehmeds V. firmiert heute als «Eyüp Lisesi». Der fromme Sultan und seine neben ihm liegende Frau haben keinen Grund, sich über fehlenden Kinderlärm zu beklagen.
Die Mausoleen der Herrscher
Das Totenzeremoniell für den osmanischen Sultan unterscheidet sich in den Grundzügen nicht von den für jeden Muslim vorgesehenen Handlungen. Auch der Bau eines Mausoleums
(türbe)
war kein sultanisches Vorrecht. Viele z.T. wenig bedeutende Amtsinhaber vom 15. Jahrhundert bis zum Ende des Osmanenstaats liegen in freistehenden Grabbauten.
Wenn das Hinscheiden eines Herrschers bis zum Eintreffen seines Sohns und Nachfolgers geheimgehalten werden musste, um anderen Thronbewerbern keinen Vorteil zu verschaffen, hatte sich die Umgebung des verstorbenen Sultans mit Trauerbekundungen zurückhalten. Wurde der Tod dann amtlich verkündet, ließen die Würdenträger ihren Tränen freien Lauf. Die Bevölkerung nahm starken Anteil, vor allem wenn der
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