Istanbul: Ein historischer Stadtführer
befindet sich im arabischen Medina.
Abb. 19: Eyüp Gräberstraße
Abgesehen von den beiden letzten Fällen, deren Heimkehr das republikanische Regime bis heute verhindert, liegen seit Mehmed II. alle Herrscher in Istanbul. Die Grablegen der alten Residenz Bursa wurden nur noch in Ausnahmefällen für Prinzen genutzt. In der neuen Hauptstadt entstand nur vorübergehend ein nekropoler Kern in der Umgebung der Aya Sofya. Die drei hier beigesetzten Herrscher haben keinen Moscheekomplexin Istanbul hinterlassen. Sie (oder ihre Nachfahren) zogen die ehrwürdige Hauptmoschee einer Beisetzung
ad sanctos
in Eyüp oder bei einem anderen Wallfahrtsort vor. Die beiden unglücklichen Sultane Mustafâ I. und İbrâhîm liegen im ehemaligen Baptisterium der Hagia Sophia. Die Nekropole im Garten der Aya Sofya bildet den Ausgangspunkt des von Türben und Friedhöfen gesäumten Divanyolu. Der neu installierte Sultan nahm diese Zeremonialstraße, um sich nach Eyüp zu begeben, wo die feierliche Umgürtung mit dem Schwert des Propheten oder des Kalifen Omar durch den Scheichülislam oder Nakibüleschraf erfolgte. Die letzten Herrscher zogen jedoch, spätestens seit der Thronbesteigungvon Sultan Abdülmecîd (1839), die Seefahrt über das Goldene Horn auf dem Hinweg vor. Auf dem Rückweg machten sie bei den Türben ihrer Vorfahren, insbesondere der Mehmeds II. Station. Eine historische Besonderheit war die Schwertumgürtung des letzten Sultans Mehmed VI. Vahîdeddîn. Wenige Wochen vor der Kapitulation des Osmanenstaats wurde sie am 31. August 1918 von Scheich Sayyid Ahmad, dem Oberhaupt der nordafrikanischen Sanûsî-Bruderschaft, vorgenommen.
Abb. 20: Türbe der Sultansmutter Mihrişâh (gest. 1805) in Eyüp. Zur Türbe gehört ein Komplex aus İmâret, Mektep und Sebîl (1772–1775)
Die größte Massierung von Herrschergräbern findet sich in der Türbe der Mutter Sultan Mehmed IV. neben ihrer «Neuen Moschee» (Yeni Cami). Auch aufmerksame Reisende übersehen sie leicht im Menschengedränge, das zwischen Ägyptischem Basar (Mısır Carşısı), der Moschee und den Anlegestellen von Eminönü herrscht. Tatsächlich liegen hier sechs Sultane begraben. Mehr als einen Herrscher nehmen auch die Türben Ahmed II. und Mahmûd II. auf. Eine Kuriosität stellt die Türbe bei der Nuruosmaniye dar. Auch auf diesen barocken Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts muss hier aufmerksam gemacht werden, weil die meisten Touristen schon im Vorhof der Nuruosmaniye von den Basartoren gleichsam angesaugt werden und keinen Blick auf die Nebenbauten verschwenden. Der Auftraggeber der Nuruosmaniye, Mahmûd I., starb vor ihrer Vollendung. Der namengebende Osmân erlaubte jedoch nicht die Bestattung seines Bruders, so dass die Türbe leer blieb, bis sie Osmân III. für seine 1756 verstorbene Mutter Şehsüvâr Vâlide Sultan bestimmte. Die Frage, warum Osmân, der seine fromme Mutter nur um eineinhalb Jahre überlebte, nicht in der Moschee liegt, kann vorläufig nicht beantwortet werden.
Die Mausoleen der osmanischen Herrscher in Istanbul
Auf einige Besonderheiten, die nicht – oder nicht auf den ersten Blick – aus dieser Übersicht hervorgehen, muss hingewiesen werden. Fünf Sultane (Nr. 7–10, 26) haben ihren Begräbnisort an der nach Mekka blickenden
Kıbla-
Mauer ihrer Hauptmoschee und erfüllen so das klassische und vollständige Bauprogramm. Zwei Herrscher haben sich bei einem Stiftungskomplex ohne Freitagsmoschee beisetzen lassen (27, 35). Mehrere schlüpfen gleichsam bei ihrem Vater (16, 17, 28, 29), ihrer Mutter (19, 33), ihrem Großvater (34) oder entfernteren Vorfahren (20, 29) unter. Die durch
Kursivdruck
hervorgehobenen Herrscher hatten zu Lebzeiten oder durch ihre Nachfahren die Möglichkeit, eigene Türben zu errichten.
Süleymân der Gesetzgeber
Als im September 1566 die Nachricht von Süleymâns I. Tod im ungarischen Feldlager die Hauptstadt erreichte, trauerten die Osmanen im Bewusstsein, einen der größten Herrscher des zu Ende gehenden Millenniums (das Jahr 1000 der Hidschra beginnt 1591) verloren zu haben. Viele seiner Untertanen hatten keine Erinnerung an seine 46 Jahre zurückliegende Thronbesteigung. Bâkî verfasste damals eine der berühmtesten Traueroden (
mersîye
) der osmanischen Literatur. Im Prolog beschwört der Dichter die Allmacht des Todes, die auch vor dem «löwenmutigen Schah» nicht Halt macht, vor dessen «glänzendem Schwert» die ungläubigen Ungarn und Franken niedersanken. Das Strophengedicht besteht
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