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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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Trauerzug die Serailmauern verließ und sich durch die Stadt zum Begräbnisort begab. Celâl-Zâde fand für die Beisetzung Selîms I. im Jahr 1520 die folgenden Worte, die auch eine Anspielung auf die Eroberung Ägyptens durch den Sultan enthalten:
    Die Zugänge der Stadt hatte sich mit der Menge der Muslime und dem Heer der Einheitsbekenner gefüllt. Ihre Antlitze verwandelten sich in Ströme fließenden Wassers. Die Tränen auf den Gesichtern der Menschen glichen dem Nil-Strom.
    Die Berichte der ersten osmanischen Jahrhunderte belegen, dass die Menschen ihr Haupt mit Straßenstaub bedeckten und ihre Kleider zerrissen. Die Truppe reagierte auf ihre Weise. Die Soldaten schleuderten ihre Feldzeichen (
tuğ
) zu Boden und rissen ihre Zelte ab. Celâl-Zâde schreibt über das Verhalten der Janitscharen: «Alle
Solak
(eine Janitscharenabteilung) warfen ihre Filzhauben zu Boden und brachen in Trauergeschrei aus.» Im 17. Jahrhundert wurden die Manifestationen in der Öffentlichkeit, aber auch bei Hof zurückhaltender. Zuvor war schwarze, braune oder violette Trauerkleidung am Hof üblich. Merkwürdigerweise nahmen die Buchmaler des 16. Jahrhunderts darauf keine Rücksicht. Ihre Figuren tragen im Gegensatz zur klaren Aussage der Texte blaue und grüne Gewänder. Der Historiker Selanikî kann für das Zeremoniell beim Tod Selîms II. als Zeuge dienen:
    Im folgenden Morgengrauen, am achten Tag des Heiligen
Ramazân
, einem Mittwoch (22. Dezember 1574), wanden sich alle Staatsmänner Trauerschals um den Kopf und gingen schwarz gewandet, mit Trauer bedeckt und niedergeschlagen mit den einfachen Leuten in die Aya Sofya, um dort das Frühgebet zu sprechen.
    Der neue Sultan war bei seiner Thronbesteigung ebenfalls noch als Trauernder bekleidet: «Er trug eine schwarze, halbreihige Weste mit langen Ärmeln und einen Mantel aus violettem Atlas sowie einem Trauerschleier (am Turban).» Die dringendste Pflicht des neuen Herrschers war die Regelung der Bestattung des Vaters. Es sei daran erinnert, dass die ersten vierzehn Sultane, von Osmân I. bis zu Ahmed I., ihrem Vater unmittelbar nachfolgten. Erst ab 1617 galt die Regel des «ältesten männlichen Familienangehörigen» (Senoriat oder osmanisch
ekberiyet
). Keines der Herrschermausoleen der ersten drei Jahrhunderte wurde zu Lebzeiten errichtet. Das gilt übrigens auch für Süleymân I., obwohl dies gelegentlich bestritten wird. Selanikî widmet dem Bau der Türbe Murâds III. bei der Aya Sofya einen ganzen Absatz:
    Die Wächter an der Türbe Sultan Murâds, sein Grab möge angenehm sein, hatten am sechsten Tag des Monats
Cumâdelâhire
(16. Februar 1595) die Lesung des heiligen Koran mit dem Vierzigsten Tag abgeschlossen. Nun wurden für seine erhabene Seele Mahlzeiten gekocht. Man speiste die Armen und Hinfälligen. Die üblichen Belohnungen wurden vergeben, die sonstigen Spenden ausgeteilt. Danach setzten sie dem Beten und Gotteslob ein Ende. Der Oberbaumeister Dâvûd Ağa hatte den Plan eines heiligen Mausoleums mit sechs Ecken entworfen und die notwendigen Materialien und Geräte bereitgestellt. Man legte das Fundament und nahm den Bau in Angriff.
Die Geographie des Todes
    Nicht alle Herrscher starben auf dem Thron Osmâns, sondern erst nach ihrer Absetzung als «Alt-Padischahs». Einige wenige ereilte der Tod außerhalb der Mauern von Istanbul. Die weiteste Reise hatte der 1566 im ungarischen Feldlager von Szigetvár verstorbene Süleymân I. zurückzulegen. Drei weitere Sultane starben nur wenige Tagesetappen von Istanbul entfernt: Mehmed II. im nahen Maltepe, sein Sohn Bâyezîd II. in Dimetoka (Griechenland, im heutigen Grenzdreieck zur Türkei und Bulgarien), Selîm I. im ostthrakischen Çorlu. Für Süleymân I. wurde in Ungarn eine Türbe zur Aufnahme der Eingeweide errichtet. Bei seinen Nachfahren wurde auf dieses Maßnahme verzichtet. Im Falle Süleymân II., der seine Tage in Edirne beschloss, ist überliefert, dass man den Leichnam in Eis packte und auf einen Wagen bis Silivri schickte. Von dort aus wurde er über das Marmarameer nach Istanbul gerudert. Zwei weitere Herrscher verstarben in der Nebenresidenz Edirne (Mehmed IV., Ahmed II.). EineBeisetzung im Schatten der großen Moschee Selîms II. in Edirne hatte nicht einmal ihr Stifter im 16. Jahrhundert erwogen. Die unten nicht aufgeführten ersten sechs Osmanenherrscher liegen in Bursa, der letzte (Mehmed VI. Vahîdeddîn) in Damaskus. Das Grab des 1944 im Pariser Exil verstorbenen Kalifen Abdülmecîd

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