Istanbul: Ein historischer Stadtführer
betrat der Fromme die Klause und verschloß sich darin: (denn) bis zum Ende des Ramazân wird der Teufel in Gewahrsam gehalten.
3. Der Gewohnheitstrinker reinigte seinen Mund und seine Hände von Wein und machte zugleich den Weinkrug zum Waschkrug.
4. Ähnlich wie ihr Glück, änderte sich auch die Gesichtsfarbe der Trinker; die Zeit gehört den sich in das Bekenntnis der Einheit Gottes vertiefenden Scheichs.
5. Man gibt dem Weinsäufer das Feuer des Senfs der Schmähung und macht so den ausgetrunkenen Wein ihm zur Nase herausrinnen.
(…)
8. Die Kerzenanzünder gingen mit gestreiften Ärmeln ans Goldverstreuen heran und die
Mahya
-Illumination verzierte mit Gold die (im Jenseits liegende) Urkunde der guten Taten.
9. Die unterhalb der Kuppel aufgehängten Lämpchen bilden einen goldgeschmückten Kreis, dessen Licht einen mit Gold überzogenen Plafond zum Lusthaus frommer Gebete darstellt.
10. Jede schmucke Moschee wurde zu je einer Scheune von Licht und die funkelnden Glaslämpchen zu voll gestrichenen Getreidemaßen.
Eine kühne Metapher sieht die von der Pracht der Moscheen beeindruckten Kirchen zum Islam übertreten:
21. Die Kerzen der christlichen Kirchen werden, indem sie die Herrlichkeit des Islams sehen, so weit nachgiebig, daß sie den Moscheen Glauben entgegenbringen und (zu dessen Bezeugung) den Finger heben.
(…)
Die übersehenen Chronometer
Muvakkithâne
als «Häuser der Zeitbestimmer» sind entweder selbständige Bauten im Moscheehof oder bilden in die Außenmauer integrierte Räume. In aller Regel handelt es sich um viereckige oder runde Bauten mit auffallend hohen, mit weitmaschigen Gittern gesicherten Fensteröffnungen, welche die Beobachtung der Sonnenhöhe durch den
Muvakkit
ermöglichten. Ein
Muvakkit
(von arabisch
vakt
«Zeit») war oft in Personalunion
Müneccim
(von arab.
nacm
«Stern»), d.h. auch ein Sterndeuter. Der osmanische Chefastrologe
(müneccimbaşı)
war für die Prüfung und Auswahl der
Muvakkits
zuständig. Das unter Mehmed II. oder Bâyezîd II. eingerichtete Hofamt ist offensichtlich eine osmanische Innovation. Erst mit dem Tode des letzten Inhabers, Hüseyin Hilmî Efendi, erlosch es im Jahr 1924. Der
Müneccimbaşı
überreichte an jedem Neujahrstag (21. März) dem Padischah in feierlicher Weise den Kalender für das folgende astronomischeJahr. Zuvor verteilte der Leibarzt des Sultans
(hekimbaşı)
eine «Neujahrsspeise»
(nevrûzîye)
genannte wohlriechende, rötliche Paste an den Herrscher und seine Familie, den Großwesir und die wichtigsten Hofchargen.
Während die astronomischen Tabellen, auf denen diese Kalender beruhten, lange den Arbeiten des 1449 verstorbenen mittelasiatischen Gelehrten Uluğ Beg folgten, übernahmen die Osmanen ab dem 17. Jahrhundert zaghaft auch die Tafeln europäischer Gelehrter, im 19. Jahrhundert waren auch für sie die in Paris veröffentlichten Kalender maßgeblich. Zu den Aufgaben der Zeitbestimmer gehörten neben der besonders wichtigen Verkündigung von Anfang und Ende des Fastenmonats die Kontrolle der täglich wechselnden Gebetszeiten, die Festlegung der Gebetsrichtung
(kıbla)
, insbesondere bei Moscheeneubauten, und allerlei spekulative Sterndeuterei. Auch wurden sie konsultiert, um Zeiten für die Vornahme bestimmter Handlungen (Bauvorhaben, Eheschließungen, Kriegszüge) zu ermitteln. Eine anspruchsvolle Aufgabe war die Schaffung von Kalendern, in denen in tabellarischer Form verschiedene Ären (alexandrinische, christliche, arabische) miteinander verglichen werden. Gelegentlich enthalten sie auch Prophezeiungen:
Als der
Müneccim
Mehmed Çelebi im Jahre 1631 verstarb, verfasste der Chronist Na‘îmâ eine Art Nachruf. Die Bewunderung des Historikers (der bekanntlich nur in die Vergangenheit blicken kann) für die prophetische Gabe des Astrologen kommt klar zum Ausdruck:
Mehmed Çelebî stammte aus Istanbul und war aus einfachen Verhältnissen. In seiner Jugend streunte er viel herum. Nachdem er auf einer seiner Reisen die Sternenkunde regelrecht studiert und sich auch in der Mathematik alle notwendigen Kenntnisse bis zur Vollkommenheit angeeignet hatte, wurde er Zeitbestimmer an der Moschee des Şehzâde. Später galt er als Oberhaupt aller Astrologen und Kenner der Geheimnisse des Himmels, allein und unvergleichlich in seinem Zeitalter. Er starb im Monat Zilhicce des Jahres 1041. Der Meister war in seiner Wissenschaft außerordentlich befähigt, weithin bekannt und einzig in seiner Kunst. Die Kalender, die er
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