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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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zusammenstellte, waren für jedermann wegweisend. Unter seinen Werken gibt es auch ein türkisches Buch über die Prophezeiungen
(ahkâm)
, in dem er über Tierkreiszeichen und Sterne und alles, was damit zusammenhängt, schrieb sowie über die guten und bösen Omen. Es ist ein Werk, das sehr gut aufgenommen wurde. Im Jahr von Sultan Ahmeds (I.) Tod (1617) trug er folgende Worte in seinen Kalender ein: «Über die MÄCHTIGKEIT des Padischahs des Islam
… (İslâm pâdişahının kuvvetine…)
». Dabei hob er einen der (beiden) Punkte über dem Buchstaben k (von
kuvvet)
mit roter Tinte hervor. Als Sultan Ahmed dann starb, sagten die Leute, in den
Ahkâm
komme nichts darauf hin Bezügliches vor. Er aber belehrte sie.
    Abb. 17: Das Dienstgebäude des Astronomen (Muvakkithane) bei der Aya Sofya
    Der Astrologe blieb im Recht, denn wenn man den rot geschriebenen Punkt nicht berücksichtigt, muss das Zeichen als f gelesen werden, aus
k uvvet
wird
f evt
und das bedeutet «Tod».
    Wahrscheinlich waren im 17. Jahrhundert die meisten
Muvakkits
mit ihren Instrumenten wie Astrolabien, Quadranten und Tabellenwerken noch in Nebenräumen von Moscheen und Medresen untergebracht. Über das hohe Ansehen des
Muvakkit
an der Bâyezîd-Stiftung lässt sich Evliyâ aus:
    (Die Stiftung) hat insgesamt 2040 Diener. Über das höchste Einkommen verfügt, entsprechend den Bedingungen der Stiftungsurkunde, ihr
Muvakkit
. Ausnahmslos alle Seefahrer der Istanbul untergebenen Länder sind auf den
Muvakkit
der Moschee von Bâyezîd Hân angewiesen. Das liegt daran, dass ihre Gebetsrichtung durch eine wundersame (göttliche) Fügung besonders genau ist. Deshalb richten die Schiffskapitäne ihre Kompasse und Uhren am Mihrâb dieser Moschee aus und sind (so) auf den
Muvakkit
angewiesen. Ja selbst die Meister der Ungläubigen aus dem Land der Franken, die etwas von Sternenkunde verstehen, überprüfen ihre Sonnenuhren und Kompasse in der Moschee des Bâyezîd Hân.
    Sonnenuhren waren die üblichsten Instrumente zur Zeitbestimmung. Die Stiftungsurkunden enthalten manchmal Stellenbeschreibungen, die darauf Bezug nehmen. So heißt es in der Urkunde der Ahmed-Stiftung von 1612: «Ein
Muvakkit
, der die Zeiten des Gebetsrufs beherrscht und den Gebrauch der Sonnenuhr versteht.» Ein verdienter Lokalforscher hat eine Liste von 69
Muvakkithâne
aufgestellt, von denen schon 1970 die Hälfte verschwunden war. Heute kann man noch rund 30 dieser bemerkenswerten Gebäude besichtigen, von denen der weitaus größte Teil aus dem frühen 19. Jahrhundert stammt. Erhalten hat sich zum Beispiel, wenn auch nicht an seinem ursprünglichen Standort, das Muvakkithâne der Dolmabahçe-Moschee (1854). Es wurde bei der Verbreiterung des Boulevards an das Bosporusufer gerückt.
    Das Muvakkithâne der Aya Sofya (neben den beiden Sultanstürben) ist ein weiteres Beispiel dieses Bautyps. Es wurde ca. 1850 von Gaspare Fossati (1809–1883) entworfen. Die Planzeichnungen des Tessiner Architekten sind mit dem sonst kaum belegten Namen
Vakıt Odası («Camera del Tempo
/Zeitzimmer») überschrieben. Respektlos könnte man sagen, er hat ein neuosmanisches Mausoleum mit einer Art Bahnhofsuhr an der Kuppel und drei großen Standuhren im Inneren geplant. Zwei der in London bestellten Uhren verrichteten noch lange in der in ein Museum umgewandelten Hagia Sophia ihren Dienst. Die noch in vielen anderen Moscheen zu sehenden Standuhren wurden zum größten Teil in England und Frankreich gefertigt und sind mit türkischen Zifferblättern versehen.
    Die Dichter haben ihre Bauinschriften für Muvakkithâne gerne mit philosophischen oder mystischen Betrachtungen über den Lauf der Zeit verbunden. Die Inschrift beim Muvakkithâne der Sultan Ahmed-Moschee (1875/76), neben der Türbe des namengebenden Sultans lautet:
    Blick auf die Uhr, deren Minuten nicht vergehen,
Zieh auch du den Pendel
(rakkâs)
im Inneren des Werks
stets aufs Neue,
Nimm den Schlüssel
(miftâh)
der aufrichtigen Reue,
Zur Uhr deines Herzens und rufe nach «Gott, Gott»!
    Der Text stammt von einem Kalligraphen namens Zekî aus der Mevlevîye-Bruderschaft und wurde im sogenannten «hängenden»
(Talîk)
Duktus geschrieben. Der Hintersinn der Verse ist leicht zu erschließen: Die unvergängliche Uhr ist die Ewigkeit. Das Wort für «Pendel» bedeutet eigentlich «Tänzer». Die Mevlevî-Bruderschaft pflegt den Rundtanz alsRitual. «Schlüssel» ist zugleich der Eingang. Das laute oder stille Gedenken an Gott ist Bestandteil jeden

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