Italienische Märchen
alt.« – »Ach, ich weiß nicht«, sagte Gockel, »aber ich möchte eine Wette anstellen, daß ich nicht über fünfundzwanzig alt bin.« – »Aber sage nur, wie kommen wir auf die seidnen Betten?« sagte Frau Hinkel. »So weich habe ich selbst nicht gelegen, als du noch Fasanenminister in Gelnhausen warst. Und die himmlischen Wohlgerüche umher! Aber ach, was ist das? Der Trauring, der mir immer so lose an dem Finger hing, daß ich ihn oft nachts im Bettstroh verloren, sitzt mir jetzt so fest, daß ich ihn kaum drehen kann, ich bin gar nicht mehr mager.« Diese letzten Worte erinnerten den Gockel an den Ring Salomonis; er dachte: »Ach, das mag alles von meinem gestrigen Wunsch herkommen.« Da hörte er auf einmal Rosse im Stalle stampfen und wiehern, hörte eine Tür gehn, und es fuhr ein Licht durch die Stube an der Decke weg, als wenn jemand mit einer Laterne nachts über den Hof geht. Er und Hinkel sprangen auf, aber sie fielen ziemlich hart auf die Nase, denn jetzt merkten sie, daß sie nicht mehr auf der ebenen Erde, sondern auf hohen Polsterbetten geschlafen hatten, und der Schein, der durch die Stube gezogen war, hatte nicht die rauhe Wand ihres Hühnerstalls, an der Stroh und eine alte Hühnerleiter lag, sondern prächtige gemalte und vergoldete Wände, seidene Vorhänge und aufgestellte Silber- und Goldgefäße beleuchtet. Sie rafften sich auf von einem spiegelglatten Boden, sie stürzten sich in die Arme und weinten vor Freude wie die Kinder. Sie hatten sich so lieb, als hätten sie sich zum erstenmal gesehen. Nun bemerkten sie den Schein wieder und sahen, daß er durch ein hohes Fenster hereinfiel. Mit verschlungenen Armen liefen sie nach dem Fenster und sahen, daß es von der Laterne eines Kutschers mit einer reichen Livree herkam, der in einem großen, geräumigen Hof stand, Haber siebte und ein Liedchen pfiff. Im Schein der Laterne, der an das Fenster fiel, sah Gockel Hinkel an und Hinkel Gockel, und beide lachten und weinten und fielen sich um den Hals und riefen aus: »Ach Gockel, ach Hinkel, wie jung und schön bist du geworden!«
Da sprach Gockel: »Alektryo hat die Wahrheit gesprochen; der Ring Salomonis hat Probe gehalten, alle meine Wünsche, bei welchen ich ihn drehte, sind in Erfüllung gegangen«, und da erzählte er der Frau Hinkel alles von dem Ring und zeigte ihr ihn, und ihre Freude war unaussprechlich. Nun liefen sie an ein anderes Fenster und sahen in einen wunderschönen Garten; ein wunderlieblicher Blumenduft strömte ihnen entgegen, die herrlichsten Springbrunnen plätscherten im Mondschein, und die Nachtigallen sangen ganz unvergleichlich dazu.
Nun liefen sie an ein drittes Fenster. »Oje, welche Freude!« rief Frau Hinkel aus. »Wir sind in Gelnhausen, da oben liegt das Schloß des Königs, und da drüben, oh! zum Entzücken! da sehe ich in einer Reihe alle die Bäcker- und Fleischerladen; es ist noch ganz stille in der Stadt, horch, der Nachtwächter ruft in einer entfernten Straße, drei Uhr ist es. Ach, was wird er sich wundern, wenn er hierher auf den Markt kömmt und auf einmal unsern gräflichen Palast sieht! Und der König, was wird der König die Augen aufreißen und alle die Hofherrn und Hofdamen, die uns so spöttisch nachsahen, da wir ins Elend gingen, was werden sie gedemütigt sein durch unsern Glanz! O Gockel, lieber Gockel, was bist du für ein allerliebster, bester Mann mit deinem Ringe Salomonis!« und da fielen sie sich wieder um den Hals.
Der Tag brach aber an, und sie sahen verwundert den Glanz ihres prächtigen Schlafgemachs und ihrer schönen, atlassenen, himmelblauen Schlafröcke und ihrer goldenen Nachtmützen. Nun erinnerten sie sich in ihrer Freude erst an Gackeleia, ihr liebes Töchterlein, und eilten nach einem wunderschönen Bettchen, rissen die rotsamtnen, goldgestickten Vorhänge hinweg: da lag Gackeleia, schön wie ein Engel, ach, viel schöner, als sie je gewesen. Gockel und Hinkel erweckten sie mit Küssen und Tränen: »Wach, wach auf, Gackeleia! Ach, alle Freude ist um uns her! Ach, Gackeleia, sieh alle die schönen Sachen an!« Da schlug Gackeleia die blauen Augen auf und glaubte, sie träume das alles nur, und da sie Vater und Mutter, welche beide so jung und schön geworden waren, gar nicht wiedererkannte, fing sie an zu weinen und verlangte nach ihren Eltern. Ja, alle die schönen Sachen konnten sie nicht zufriedenstellen; sie sagte immer: »O, was soll ich mit alle der Herrlichkeit, ich will zu meiner lieben Mutter, Frau Hinkel, zu
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