Italienische Märchen
Herrn!
Da wachten die Bürger rings am Markte auf, die Bäcker und die Fleischer rieben sich die Augen und rissen die Mäuler sperrangelweit auf und staunten das Schloß an und machten ein entsetzliches Geschrei vor Verwunderung. Gockel und Hinkel und Gackeleia standen am Fenster und guckten hinter dem Vorhang alles an. Endlich schrie ein dicker Fleischer: »Da ist da, das Schloß kann keiner wegdisputieren; aber ob Leute drin sind, die Fleisch essen, das möcht ich wissen!« – »Ja, und Brot und Semmeln und Eierwecke«, fuhr ein staubiger, untersetzter Bäckermeister fort. Da ging aber auf einmal die Schloßtüre auf, und es trat ein großer, bärtiger Türsteher heraus mit einem großen Kragen, wie ein Wagenrad, und einem breiten, silberbordierten Bandelier über die Brust und weiten, gepufften Hosen und einem Federhut, wie ein alter Schweizer gekleidet; er trug einen langen Stock, woran ein silberner Knopf war, wie ein Kürbis so groß, und auf diesem ein großer silberner Hahn mit ausgebreiteten Flügeln. Die versammelten Leute fuhren alle auseinander, als er mit ernster, drohender Miene ganz breitbeinig auf sie zuschritt; sie meinten, er sei ein Gespenst. Auch Gockel und Hinkel oben am Fenster waren sehr über ihn verwundert und öffneten das Fenster ein wenig, um zu hören, was er sagte. Er aber sprach:
»Hört einmal, ihr lieben Bürger von Gelnhausen, es ist sehr unartig, daß ihr hier bei Anbruch des Tages einen so abscheulichen Lärm vor dem Schlosse Ihrer Hoheit des hochgebornen Rauhgrafen Gockel von Hanau, Hennegau und Henneberg, Erbherrn auf Hühnerbein und Katzenellenbogen macht! Ihre hochgräflichen Gnaden werden es sehr ungern vernehmen, so ihr Sie also frühe in der Ruhe stört, und wünsche ich, das nicht wieder zu erfahren; das laßt euch gesagt sein.« – »Mit Gunst«, sagte da der Fleischer und zog seine Mütze höflich ab, »wenns erlaubt ist, zu fragen, wird dies Schloß, das über Nacht wie ein Pilz aus der Erde gewachsen ist, von dem ehemaligen hiesigen Fasanenminister bewohnt?« – »Allerdings«, erwiderte der Schweizer, »es ist bewohnt von ihm und seiner gräflichen Gemahlin Hinkel und Hochdero Töchterlein Gackeleia, außerdem zwei Kammerdienern, zwei Kammerfrauen, vier Bedienten, vier Stubenmädchen, zwei Jägern, zwei Läufern, zwei Heiducken, zwei Kammerhusaren, zwei Kammermohren, zwei Kammerriesen, zwei Kammerzwergen, zwei Türstehern, wovon ich einer zu sein mir schmeicheln kann, zwei Leibkutschern, sechs Stallknechten, zwei Köchen, sechs Küchenjungen, zwei Gärtnern, sechs Gärtnerburschen, einem Haushofmeister, einer Haushofmeisterin, einem Kapaunenstopfer, einem Hühnerhofmeister, einem Fasanenmeister und noch allerlei anderem Gesinde, welche alle zusammen täglich hundert Pfund Rindfleisch, hundert Pfund Kalbfleisch, fünfzig Pfund Hammelfleisch, fünfzig Pfund Schweinefleisch, sechzig Würste und dergleichen essen.« – »Ach!« schrie da der Metzger und kniete beinah vor dem Schweizer nieder, »ich rekommandiere mich bestens als hochgräflicher Hofmetzger.« Und der Bäcker zupfte den Schweizer am Ärmel mit den Worten: »Ihre hochgräflichen Gnaden und die hochgräfliche Dienerschaft werden doch das viele Fleisch nicht so ohne Brot in den Magen hineinfressen; das könnte ihnen unmöglich gesund sein.« – »Ei behüte!« sagte der Schweizer, »sie brauchen täglich dreißig große Weißbrode, hundertfünfzig Semmeln, hundert Eierwecke, hundert Bubenschenkel und zweihundertundsechsundneunzig Zwiebacke zum Kaffee.« – »O, so empfehle ich mich bestens zum hochgräflichen Hausbäcker«, rief der Bäckermeister. »Wir wollen sehen«, sprach der Schweizer, »wer heute gleich das beste Fleisch und die besten Semmeln liefern wird.« Da stürzten alle die Bäcker und Fleischer nach ihren Buden und hackten und kneteten und rollten und glasierten die Eierwecke und rissen die Laden auf und stellten alles heraus, daß es eine Pracht war. Aber dies ging nun auf allen Seiten von Gelnhausen so; alle Krämer und alle Krauthändler kamen, sahen, staunten und wurden berichtet und waren voll Freude, daß sie viel Geld verdienen sollten.
Gockel und Hinkel und Gackeleia aber liefen im Schloß herum und sahen alles an; alle die Dienerschaft setzte sich in Bewegung, man kleidete sich an, man wurde frisiert, man putzte Stiefel und Schuh, man klopfte Kleider aus, tränkte die Pferde, futterte Hühner, frühstückte; es war ein Leben und Weben wie in dem größten Schloß. Die
Weitere Kostenlose Bücher