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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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meinem guten Vater Gockel zurück!« Die Mutter und der Vater konnten sie auf keine Weise bereden, daß sie es selbst seien. Endlich sagte Gockel zu ihr: »Wer bist du denn?« – »Gackeleia bin ich«, erwiderte das Kind. »So«, sagte Gockel, »du bist Gackeleia? Aber Gackeleia hatte ja gestern ein Röckchen von grauer, grober Leinwand an; wie kömmt dann Gackeleia in das schöne buntgeblümte, seidne Schlafröckchen?« – »Ach, das weiß ich nicht«, antwortete Gackeleia; »aber ich bin doch ganz gewiß Gackeleia, ach, ich weiß es gewiß, die Augen schmerzen mich noch so sehr, ich habe gestern gar viel geweint; ich habe großes Unglück angestellt, ich habe die Katze ans Nest der Gallina geführt, ich bin schuld, daß sie gefressen worden, ich habe dadurch den guten Alektryo in den Tod gebracht, ach, ich bin gewiß die böse Gackeleia!« Dabei weinte sie und fuhr fort: »O, du bist Gockel nicht, der Vater Gockel hat schneeweiße Haare und einen weißen Bart und ist bleich im Gesicht und hat eine spitze Nase; du Schwarzer mit den roten Wangen bist Gockel nicht; du bist auch die Mutter Hinkel nicht, du bist ja so geschmeidig und schlank wie ein Reh; die Mutter Hinkel ist ganz breit. Ich will fort ins alte Schloß! ihr habt mich gestohlen!« Und da weinte das Kind wieder heftig. Gockel wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er dem Kinde sagte: »Schau einmal recht an, ob ich dein Vater Gockel nicht bin!« Da guckte Gackeleia ihn scharf an, und er drehte den Ring Salomonis ganz sachte am Finger und sprach leise:
Salomon, du großer König,
Mache mich doch gleich ein wenig
Dem ganz alten Gockel ähnlich,
Mach mich wieder wie gewöhnlich!
     
    Und wie er am Ringe drehte, ward er immer älter und grauer, und das Kind sagte immer: »Ach Herr, ja, ja, fast wie der Vater!« Und als er ganz fertig mit dem Drehen war, sprang das Kind aus dem Bett und flog ihm um den Hals und schrie: »Ach ja, du bists, du bists, liebes gutes, altes Väterchen! Aber die Mutter ist es mein Lebtag nicht!« Da begann Gockel auch für Frau Hinkel den Ring zu drehen, daß sie wieder ganz alt ward. Aber der machte das gar keine Freude, und sie sagte immer: »Halt ein, Gockel, nein, das ist doch ganz abscheulich, einen so herunterzubringen; nein, das ist zu arg, so habe ich mein Lebtag nicht ausgesehen, du machst mich viel älter, als ich war!« Und nun begann sie zu weinen und zu zanken und wollte dem Gockel mit Gewalt nach der Hand greifen und ihm den Ring wieder zurückdrehen, aber Gackeleia sprang ihr in die Arme und küßte und herzte und rief sie ein Mal über das andre aus: »Ach Mutter, liebe Mutter, du bists, du bists, ganz gewiß!« Da sagte Frau Hinkel: »Nun, meinethalben!« und küßte das Kind Gackeleia von ganzem Herzen. Gockel aber sprach: »Ei, ei, Frau Hinkel, ich hätte mein Lebtag nicht gedacht, daß du so eitel wärst; es ist gut, nun habe ich ein Mittel, dich zu strafen. Sieh, wenn du nun nicht fein ordentlich und fleißig bist oder brummst oder bist neugierig, da drehe ich gleich den Ring um und mache dich hundert Jahre alt.« Da sagte Frau Hinkel: »Tue, was du willst; ich habe es nicht gern getan, es hat mich nur so überrascht.« Da umarmte sie Gockel und drehte den Ring wieder, und sie wurden beide wieder jung und schön. So erfuhr auch Gackeleia das Geheimnis mit dem Ringe, und Gockel schärfte ihr und der Frau Hinkel ein, ja niemals etwas von dem Ringe zu sprechen, sonst würde er ihnen gestohlen werden, und dann würden sie um all ihr jetziges Glück kommen und wieder in das Elend nach dem alten Schlosse ziehen müssen. »Jetzt aber«, fuhr Gockel fort, »wollen wir vor allem Gott herzlich danken für unsern neuen Zustand, denn ihm gebührt allein die Ehre.« Da knieten sie in der Mitte der Stube und dankten Gott von ganzem Herzen.
    Aber unterdessen war der Nachtwächter auf den Markt gekommen und hatte das herrliche Schloß Gockels, das wie ein Pilz in der Nacht hervorgewachsen, kaum erblickt, als er ein entsetzliches Geschrei anfing:
Hört, ihr Herrn, was will ich euch sagen,
Die Glocke hat vier Uhr geschlagen,
Aber das ist noch gar nicht viel
Gegen ein Schloß, das vom Himmel fiel.
Da stehts vor mir ganz lang und breit,
Ich weiß nicht, ob ich recht gescheit;
Ich schau es an, es kömmt mir vor
Wie der alten Kuh das neue Tor.
Wacht auf, ihr Herrn, und werdet munter,
Schaut an das Wunder über Wunder
Und bewahrt das Feuer und das Licht,
Daß dieser Stadt kein Unglück geschieht,
Und lobet Gott den

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