Italienische Märchen
verstand und ausführte. Nun gab ihm seine Mutter zwar allerlei Näschereien, um ihn mit Liebe zu erziehen, zum Beispiel: Ohrfeigen, Kopfnüsse und wohl noch manchen Nasenstüber obendrein. Aber er war kein besonderer Liebhaber davon und hätte gern alle diese Leckereien um gewöhnliche Feigen und Nüsse und Stüber hingegeben, weswegen diese Gefälligkeiten der Frau Schlender auch gar nichts bei dem ehrlichen Dilldapp fruchteten. Deswegen ward sie müde, ihn täglich so zu bewirten, und setzte fest, daß er wie alle Arbeiter am Ende der Woche immer seinen Lohn haben sollte, und diesen erhielt der arme Dilldapp so reichlich, daß es ihm leicht ward, den blauen Montag zu feiern; denn er hatte blaue Flecken von den Schlägen am Leib für die ganze Woche. Er stieg dadurch immer mehr in seiner Kunst, alles, außer die Kleider, umzuwenden, daß er in einer Woche folgende vortreffliche Geschäfte zustande brachte:
Die Mutter sprach: »Dilldapp, bring Wachs!«
Da brachte ihr Dilldapp Flachs.
Die Mutter sprach: »Dilldapp, bring Zwirn!«
Da brachte ihr der Dilldapp Birn.
Die Mutter sprach: »Dilldapp, Steppseide!«
Da brachte ihr Dilldapp eine Speckseite.
Die Mutter rief nach der Schneiderscher',
Und Dilldapp brachte Schweineschmer.
Die Mutter wollt ein Maß von Papier,
Und Dilldapp brachte eine Maß Bier.
Die Mutter wollte Futterzwilch,
Da brachte Dilldapp Buttermilch.
Die Mutter wollte Kanevas,
Da brachte Dilldapp Kanne und Faß.
Die Mutter wollte bunte Borten,
Da brachte Dilldapp runde Torten.
Die Mutter wollte Stopfnadeln,
Da brachte Dilldapp Topffladen.
Endlich sprach die Mutter: »Bring mir den Rock und das Bügeleisen.« Da ging Dilldapp weg und kam nach einer Stunde mit einem Bock, zwei Ziegen und zwei Geißen zurück. Das nahm nun Frau Schlender sehr übel auf; sie nahm eine Hechel und schlug sie ihm um den Kopf.
Er schrie: »O weh! o weh! mein Kopf!«
Sie sprach: »Ich hechle den Flachs, du Tropf!«
Sie schlug; er schrie: »Weh! meine Stirn!«
Sie sprach: »Ich schüttle nur die Birn.«
Sie stieß; er schrie: »Weh! meine Seite!«
Sie sprach: »Ich salze die Speckseite.«
Er rief: »Ach Mutter! nicht so sehr!«
Sie sprach: »Es ist nur Schweineschmer.«
Er schrie: »Ach! ach! ich sterbe schier.«
Sie sprach: »Es ist nur eine Maß Bier.«
Er schrie: »Mutter, ihr stoßt unbillig.«
Sie sprach: »Ich butter' die Buttermilch.«
Er schrie: »Ihr rüttelt ohne Maß.«
Sie sprach: »Ich schwenke Kanne und Glas.«
Er schrie: »Ihr werdet mich ermorden.«
Sie sprach: »Ich backe runde Torten.«
Er schrie: »Ihr schlaget ohne Gnaden.«
Sie sprach: »Ich forme Topffladen.«
Und darauf griff sie erst zum Stock
Und sprach: »Jetzt stutzet dich der Bock.«
Aber der Dilldapp sah seinen Vorteil ab, nahm die Beine auf die Schultern und lief die Treppe hinunter, während Frau Schlender genug zu tun hatte, den Bock und die Ziegen aus dem Hause zu kapitulieren.
Dilldapp aber geriet in ein solches Laufen bergab und bergauf, durch Wälder und Felder, Land und Sand, Stock und Stein, Distel und Dorn, daß er nicht eher aufhörte, bis er nichts mehr sah vor lauter Nacht. Denn die Sonne hatte er schon über den Haufen gelaufen, und an der Abendröte hatte er die bunten Fensterscheiben eingerannt. Da hingen die Sterne ihre tausend Laternen zum Himmel heraus, und der Mond zog als Nachtwächter auf die Wache, um zu sehen, wer so erbärmlich laufe.
Dilldapp aber bekümmerte sich um nichts, und da er an einem Berg stand, der mit dem Himmel den Kopf zusammenstieß, rannte er zuguterletzt auch da hinauf. Außer Atem war er, und da er oben hinkam, hatte er Luft im Überfluß. Er konnte auf viele Jahre voraus Atem schöpfen. Da aber die Welt da oben auch noch nicht mit Brettern zugenagelt war, begann er weiterzurennen; aber ein Esel trat ihm in den Weg. Der gefiel dem guten Dilldapp so wohl, daß er auf ihn stieg, um seine Reise in guter Gesellschaft fortzusetzen.
Kaum aber hatte er wenige Schritte gemacht, so kam ihm und dem Esel ein flinker Knüppel in den Weg, der sie beide in eine Höhle hineintrieb, in welcher ein großes, dickes, fettes Ungeheuer von einer so außerordentlich großen Herzensgüte saß, daß man sie mit Ellen ausmessen konnte. Ach, Mutter! wie abscheulich groß und gut war das Ungeheuer!
Das Ungeheuer sah aus wie ein anderer Mensch auch, außer daß es wohl dreimal so groß und viermal so breit war. Es hatte eine sehr edle Gesichtsbildung, nur sein Kopf war so dick wie ein Pfefferballen; seine Nase so breit
Weitere Kostenlose Bücher