Italienische Märchen
herum und sangen sehr traurig:
Im Baume schrein die Raben:
»Ach, wären wir ehrlich begraben!«
Fort von hier, von hierio,
Weit vom Pumpelirio,
Weit vom Holzebocke.
Hübsch mit Kreuz und Glocke,
Chorgesang, Posaunenspiel:
Gebt uns Ruh und kost nicht viel.
Worauf sie verschwanden. Da nahm sich Ursula fest vor, nicht zu ruhen noch zu rasten, bis die Fräulein begraben wären. Bald darauf hörte sie wilden Hörnerklang und sah die Fackeln durch den Wald reiten und hörte den wilden Gesang von Jerums Zug:
Juch! juch! Über die Heide!
Fünfzig Messer in einer Scheide.
Sie eilte hinab an das Tor, ihren Gemahl zu empfangen, aber er sprengte so wild herein, daß sie das Pferd gegen die Treppe schleuderte. Als Jerum absteigen wollte, raffte sie sich auf und hielt ihm den Steigbügel. Er redete aber nicht freundlich mit ihr und bat sie nicht um Vergebung. Finster stieg er die Treppe hinauf, und die arme Ursula folgte ihm nach. Er setzte sich auf seinen Stuhl und redete kein Wort; sie konnte es vor Jammer nicht mehr aushalten und warf sich vor ihm auf die Knie und weinte und sprach: »Ach, mein Gemahl, was hab ich dir zuleide getan?« Er antwortete nicht. »O ich Unglückliche«, rief sie, »ich hatte mich so auf deine Heimkehr gefreut, ich hatte dich recht innig bitten wollen:
Du möchtest begraben die Mägdelein
In einem kühlen Lindenhain – – –«
Weiter konnte sie vor Tränen nicht sprechen; sie legte ihr Haupt in seinen Schoß, und als die Ringe in ihrer Krone so rasselten, zitterte Jerum am ganzen Leibe. Plötzlich faßte er mit seiner Hand an ihr Ohr und schrie wie erschreckt:
O wahr, wahr, wahrlich wahr!
O du mußt auch zu der Schar,
Bärin Ursula, der Schuß! –
O ich armer Jerumius.
»Was fehlt dir, lieber Jerum«, sagte Ursula, »daß du so traurig redest?« Da erwiderte er: »Nichts, mein Weib; aber stehe auf, wir wollen gleich dahin gehen, wo die Mägdelein sollen begraben werden; ich habe den Lindenhain gefunden, ich will dir ihn zeigen.« Das sagte er so kalt, daß Ursula zitterte und sprach:
Ach Jerum, hast du mich ein bißchen lieb:
Jetzt nicht, jetzt nicht, der Himmel ist trüb.
Er aber sprach:
Nur fort! nur fort! der Himmel grau,
Der ist so recht zur Totenschau.
Da zog er sie zum Schloß hinaus und zog mit ihr den Weg hinauf nach dem Pumpelirio Holzebock. Da sprach sie:
Ach Jerum! ach! kein Lindenhain
Wird auf dem Weg zu finden sein.
Er aber sprach:
Nur fort! und ists kein Lindenhain,
So finden wir doch Totenbein.
Da weinte Ursula sehr und klammerte sich an ihn und sprach:
Ach Jerum! ich flehte zum Himmelsthron,
Daß Gott uns schenk einen kleinen Sohn.
Er aber zerrte sie weiter den Berg hinauf und sprach:
Nur fort! nur fort! es heult der Wind,
Er wiegt der Bärin ihr schwarzes Kind.
Da sie aber oben waren, ging der Mond ganz blutig auf, und Ursula sprach:
Ach Jerum! der Mond ist blutig rot,
Ach Jerum! stich mich heut nicht tot.
Er aber sprach:
Nur fort! das ist der Abendschein,
Er scheinet in den Lindenhain.
Da kamen sie den Berg hinauf auf die öde Heide, und Ursula sprach:
O Jerum! wie die Wolken fliehn,
Wie sie so wild vor dem Monde ziehn.
Er aber sprach:
Nur fort, das sind die Lämmer klein,
Sie ziehen nach dem Kirchhof dein.
Und immer riß er sie weiter fort, ach! daß die Dornen ihr Röcklein zerrissen und Ursula sprach:
O Jerum! die Dornen zerreißen mich,
O kehre um, ich bitte dich!
Er aber sprach:
Nur fort, es ist der Rosenhain,
Er schließet rings den Kirchhof ein.
Und nun kamen sie an den dürren Baum, wo der Pumpelirio Holzebock stand, und Ursula sprach:
Ach Jerum! das ist der dürre Baum,
Das ist der wüste, öde Raum,
Das ist der Pumpelirio Holzebocke,
Ach! hörst du, wie die Raben schrein?
Er aber sprach:
Hier ist der kühle Lindenhain,
Hier läutet deine Glocke,
Hörst du, wie der Neuntöter schreit?
Du mußt sterben, halt dich bereit!
Da sank sie auf die Knie und sprach:
Ach Jerum! sag mir doch, warum
Bringst du deine arme Ursula um?
Da sprach er:
Weil du nur eine Bärin bist,
Die mich betrog mit böser List.
Bei Besserdich gleich an dem Tor
Schoß ich den Pfeil dir durch das Ohr.
Die Narbe habe ich gefühlt,
Als ich mit deinen Locken spielt.
Und jetzo muß ich dich erstechen,
Um Fanferlieschens Schwur zu brechen.
Mach fort! mach fort! der Neuntöter schreit,
Sterben mußt du, halt dich bereit!
Ursula kniete nieder um zu beten, und Jerum suchte eins von seinen fünfzig Messern heraus
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