Italienische Märchen
und fing es an zu wetzen. Wie Ursula die Hände gegen Himmel hob und betete, sah sie plötzlich das Gestirn des großen Bären erscheinen, und es zuckte wieder wie damals, als sie zuerst hier betete, und es fiel wieder wie ein Stern in ihren Schoß nieder. Da war sie auf einmal wunderbar getröstet, und stand auf und sprach:
Herr, ist dies der Lindenhain,
Wo ich soll begraben sein?
Sag, wo ist der kühle Bronnen,
Der zum Grabe kömmt geronnen?
Jerum sprach da:
Aus der Brust soll er dir springen,
Wenn ich werd das Messer schwingen.
Da griff er nach dem Messer, das er geschliffen und neben sich gelegt hatte, aber fort war es; er konnte es nicht mehr finden. Da sagte er zu Ursula: »Bete nur noch ein wenig.« Sie kniete nieder und betete fort. Er nahm ein anderes Messer und wetzte es und legte es wieder hin und rief:
Mach fort! mach fort! der Neuntöter schreit,
Sterben mußt du, halt dich bereit!
Ursula nahte sich still und sprach wieder:
Herr, ist dies der Lindenhain,
Wo ich soll begraben sein?
Sag, wo ist der kühle Bronnen,
Der zum Grabe kömmt geronnen?
Da sprach er wieder:
Aus der Brust soll er dir springen,
Wenn ich werd das Messer schwingen.
Aber das Messer war wieder fort. Er konnte das nicht begreifen und ließ sie wieder beten und wetzte wieder. Und sie kniete hin und betete für den Jerum recht von Herzen. Er rief wieder:
Der Neuntöter schreit,
Halt dich bereit!
Sie nahte wieder mit denselben Worten, das Messer war wieder fort, und so ging das, bis neunundvierzig Messer fort waren. Da hielt Jerum das fünfzigste Messer fest in der Hand und schwang den Arm und wollte es ihr in das Herz stoßen; aber auf einmal hielt er ein und tat einen lauten Schrei, und ließ den Arm sinken, denn es flog ein Messer vom Himmel herunter auf seinen Arm und stach ihm die Hand durch und durch, und wo er hinfloh, fielen Messer auf ihn und verwundeten ihn hier und dort. Ursula lief auf ihn zu und umarmte ihn und bedeckte ihn mit ihren Armen; aber die Messer fielen überall auf ihn, bis sie alle heruntergefallen waren. Da hörte man die Hörner von Jerums Gefolg, da leuchteten die Fackeln heran. Sie zogen aus, ihren Herrn zu suchen, und fanden ihn mit Wunden bedeckt, und Ursula, die ohnmächtig bei ihm lag. Seine Diener waren sehr erschrocken, sie zogen ihm die Messer aus den Wunden, verbanden ihn, so gut sie konnten, und brachen Äste von dem dürren Baum, auf welche sie ihn und Ursula legten und nach Haus brachten. Dabei sangen sie:
Juch! juch! über die Heide!
Fünfzig Messer in einer Scheide,
Fünfzig Messer in Mannesleib
Durch Ursula, das böse Weib.
Über ihnen aber flog der Neuntöter und schrie sehr heftig, und neben dem Zug schwebten die weißen Jungfräulein über die Erde hin und sangen:
Fünfzig Messer in Mörders Leib,
Ihr könnt nicht retten sein treues Weib.
Das alles war sehr betrübt.
Als sie sich Munkelwust nahten, sahen sie das ganze Schloß erleuchtet. Da ließ der Führer den Zug halten, nahte sich dem Jerum, der sich etwas erholt hatte, und redete mit ihm heimlich, worauf sich der Zug trennte. Die mit den Fackeln zogen mit Jerum in das Schloß. Der Führer aber und sein Sohn blieben mit der armen Ursula zurück. Als der Zug schon in das Schloß herein war, trugen sie die Ursula in einen alten, hohen Turm des Schlosses, in welchem gar kein Fenster war. Da legten sie dieselbe an die Erde, gingen weg und mauerten die Türe zu und warfen eine Menge Disteln und Dornen davor.
Die arme Ursula mochte wohl ein paar Stunden in dem dunkeln Turm gelegen haben, als sie etwas Kühles an den Augen und Wangen spürte und erwachte. Das erste Wort, das sie aussprach, war: »Ach, mein teurer Herr und Gemahl, lebst du noch? O, wenn Gott nur deine Diener herführte, dich mit deinen vielen Wunden aus der dunkeln Nacht nach Hause zu bringen. Ich will dich so treulich pflegen und heilen, daß du mich gewiß liebgewinnen sollst. O mein Gemahl, antworte mir! Wehe mir, haben dich die fallenden Messer getötet, konnte ich keines, mit meinem Leibe dich bedeckend, von dir abwenden?« Da die arme Ursula, welche glaubte, sie sei noch an dem schrecklichen Orte bei dem bösen Pumpelirio Holzebock, keine Antwort erhielt, richtete sie sich auf und suchte herum, den Leichnam ihres Gemahls zu suchen; aber wie erschrak sie, da sie sich rings von kalten Mauern umschlossen fühlte. »O! allmächtiger Gott!« rief sie aus, »wo bin ich, was ist aus mir geworden?
Weh, weh, ganz allein!
Erd und Himmel sind von
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