Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
Vom Netzwerk:
Stein!
Ach, kein Mond, kein Sternenschein,
Und kein Lüftlein grüßt herein,
Und es singt kein Vögelein;
Weh, weh, ganz allein!«
     
    Da sprach eine Stimme zu ihr mit freundlichem Tone: »Erschrick nicht, liebe Ursula, ich bin da; erinnerst du dich wohl des Vogels, dessen Junge du von dem Marder durch einen Steinwurf befreitest und mit dem du deinen Kuchen teiltest, da du durch den Wald nach Munkelwust reistest?«
    »O ja«, sprach Ursula, »aber was soll dieser Vogel? Wer bist du? Sage mir um Gotteswillen, wo ist Jerum, mein armer Gemahl, und wie komme ich an diesen Ort?«
    »Ich bin dieser Vogel«, antwortete die Stimme; »setze dich wieder an die Erde und erlaube mir, auf deine Hand zu sitzen, so will ich dir alles erzählen, was du mich gefragt und noch viel, viel mehr. Aber fasse Mut und vertraue auf Gott, du bist sehr unglücklich.
Aber keiner ist so allein,
Und wäre Erd und Himmel von Stein,
Und schiene kein Mond, kein Sternenschein
Und grüßte ihn kein Lüftlein,
Und sänge ihm kein Vögelein:
Wird doch in seinem Herzen rein
Der liebe Gott stets bei ihm sein.«
     
    Da setzte sich Ursula an die Erde und legte ihren Kopf gegen die harte Steinwand, und streckte die Hand aus und sprach: »Komm, lieber Vogel, setze dich auf meine Hand; ach, du bist fromm, und ich will Gott vertrauen, und wäre mein Elend noch so groß.« Da flog der Vogel auf ihre Hand, sie zog sie an sich und drückte ihn an ihre Wangen, die er sanft mit den Flügeln streichelte. »Deine Flügel sind ja naß«, sprach Ursula. »Ja, liebe Ursula«, sagte der Vogel, »ich habe sie in kühles Quellwasser getaucht und habe flatternd dein Gesicht hiermit besprengt, damit du aus der Ohnmacht erwachest.« – »O, wie gut bist du«, erwiderte Ursula; »was bist du denn für ein Vogel?« – »Frage nicht«, sagte der Vogel, »ich habe einen häßlichen Namen.« Da erwiderte Ursula: »Sage ihn mir nur, du hast dich so gut gegen mich gezeigt, ich will dich lieben, und wärest du auch ein Neuntöter.« – »Der bin ich«, sagte der Vogel, »und höre nun alles still an, denn ich habe noch viele Geschäfte für dich.« – »Erzähle«, sagte Ursula, »ich unterbreche dich nicht wieder!« Da sprach der Neuntöter also: »Du weißt, nach dem Tode von Jerums Vater, dem guten König Laudamus, führte Fanferlieschen wie gewöhnlich ihre Waisenkinder zu dem Hirsenmusfest auf die Eselswiese. Der böse Jerum wollte den Kindern, statt ihnen wie sein verstorbener Vater Zucker und Zimt auf den Brei zu streuen, Gift drauf streuen lassen, damit sie alle sterben müßten, weil er wußte, daß die Erbin von Bärwalde dabei sei, welches Ländchen er gern gehabt hätte. Ich Unglücklicher war der Kammerherr von Neuntöter und sollte das Gift auf das Mus streuen; da erschien der Geist des verstorbenen Laudamus und verwandelte mich zur Strafe in einen Neuntöter, und als ein solcher Vogel habe ich bis jetzt im Walde gelebt. Du kannst dir denken, wie es mich rührte, daß du, die ich dich doch auch mit den andern vergiften wollte, mir so große Wohltaten erwiesest; und seit dieser Zeit habe ich nie wieder von andern lebendigen kleinen Vögeln gelebt, was sonst die Art der Neuntöter ist, sondern ich habe mir große Gewalt angetan und habe nur schädliche Fliegen und Würmer und Samen von Unkraut gefressen. Immer habe ich mich gesehnt, dir für deine Wohltaten dankbar werden zu können, und endlich habe ich die Gelegenheit gefunden. Ich flog oft um das Schloß Munkelwust und belauerte alles. Da habe ich denn auch gehört, wie Jerum zu seinem alten Diener sprach, als er das letzte Mal nach Hause ritt: ›Rüste alles zum Empfange der Königin Würgipumpa im Schlosse zu. Morgen kömmt sie hier an, ich bin schon mit ihr vermählt. Heute nacht steche ich die Ursula bei dem Pumpelirio Holzebock tot.‹«
    »Ach Gott, ach Gott, ist das wahr, Neuntöter?« rief da Ursula aus, »ist das wahr?«
    »Ja, es ist wahr«, sagte der Vogel, »die neue Königin ist da.«
    »Ach, lieber Gott!« sagte Ursula, »ich bitte dich, mache, daß Würgipumpa recht gut und fromm sei, daß sie ihm noch mehr Liebe erweise als ich, daß sie ihn recht pflege in seiner Krankheit. Gott segne sie, daß sie ihn auf gute Wege und wieder in seine Stadt Besserdich führe. Nun erzähle weiter, lieber Neuntöter.«
    »O, wie bist du gütig, Ursula! du betest für deinen Mörder!« sagte der Vogel. –
    »Rede nicht so hart von dem unglücklichen Jerum; Gott der Herr möge uns allen verzeihen!« versetzte

Weitere Kostenlose Bücher