Italienische Märchen
Angst; die Nacht brach an, die Eulen schrieen auf dem dürren Baum; der Mond ging blutrot hinter dem Pumpelirio Holzebock auf. Ursula war sehr müd und setzte sich ins Gras und begann bitterlich zu weinen. Da hörte sie wieder den traurigen Gesang, und es kam immer näher und näher durch den Nebel, und sie sah eine Reihe von weißen Jungfrauen auf den Platz ziehen. Sie hatten Brautkränze auf und waren alle ganz bleich, und in der Brust hatte jede ein Messer stecken, daß das Blut über ihre weißen Röcklein niederfloß. Sie zogen über die Grasspitzen weg, als wären sie von Luft, und sangen mit feiner Stimme:
Willkommen, willkommen, du Jerum-Braut!
Ein Messer ins Herz, das heißt getraut.
Ach, ohne Kreuz und Segen
Liegen im Schnee und Regen
Bald hier deine Beinelein
Im Sonnen- und im Mondenschein.
Im Baum da schreien die Raben;
Ach, wäre ich doch ehrlich begraben!
Ursula war in der fürchterlichsten Angst und riß vor Bangigkeit das Gras aus der Erde; da schrie auf einmal eine der weißen Jungfrauen sie an:
O weh! o weh! was raufst du meinen Kranz,
Morgen mußt du auch an den Tanz!
Da sprang Ursula auf und wollte fliehen, aber sie fiel über einen Hügel; da schrie eine andere sie an:
O weh! o weh! was trittst du auf mein Herz,
Morgen leidest du denselben Schmerz.
So ging das immerfort; sie mochte fliehen nach welcher Seite sie wollte, immer trat ihr eine jener Jungfrauen in den Weg und schrie bald: »O weh mein Arm, o weh mein Bein, o weh mein Leib«, usw. Da stand Ursula endlich still und fragte: »O, ihr armen Jungfrauen, wer seid ihr und was wollt ihr von mir?« Da sangen sie:
Jerums Frauen von gestern
Sind wir, Messerschwestern,
Jerums Weib von heute:
Morgen gehst du uns zur Seite.
Bete fleißig, denn gar oft
Kömmt das Messer unverhofft.
Im Baume schreien die Raben;
Ach, wären wir ehrlich begraben.
Fort von hier, von hierio,
Weit vom Pumpelirio,
Weit vom Holzebocke
Hübsch mit Kreuz und Glocke,
Mit Gesang und Posaunenspiel;
Giebt uns Ruh und kost nicht viel.
Da antwortete ihnen Ursula: »Ach, wenn es mir möglich ist, sollt ihr gewiß begraben werden:
Unter zarten Blumenrasen,
In dem Schatten grüner Linden,
Wo die frommen Lämmer grasen,
Sollt ihr euer Bettlein finden.
Und ein kühler Marmorbronnen
Soll da bei der Linde springen,
An jed Bettlein hingeronnen
Kühlen Born wohl jeder bringen,
Daß ihr könnt die heißen Schmerzen
Eurer schreinden Wunden kühlen
Und das Blut zerrißner Herzen
Von dem weißen Schleier spülen.
Ach! Wenn Gott euch wird erwecken,
Sollt ihr für den Mörder bitten!
Ringsum blühen Rosenhecken,
Und ein Kreuz steht in der Mitten.
Will der Herr mein Blut auch haben,
Soll man zu des Kreuzes Füßen
Euch zur Seite mich begraben,
Bis uns all die Englein grüßen.«
Während Ursula diese Worte recht von Herzen sprach, sahen die Jungfrauen sie mit rechter Liebe an, und jede zog ihr Ringlein vom Finger und sie flochten sie ineinander wie eine Kette und zogen Blumen durch, daß es eine Krone ward; die setzten sie der Ursula auf das Haupt und sangen:
Soviel Ringe, soviel Bräute;
Soviel Bräute, soviel Messer;
Soviel Messer, soviel Herzen;
Soviel Herzen, soviel Wunden;
Ach, du arme Braut von heute!
Ach, dir geht es auch nicht besser;
Ach, du hast die bittern Schmerzen
Alle bald wie wir empfunden.
Da krähte aber der Hahn und sie schwebten über die Wiese weg. Ursula fühlte sich ruhiger, sie sah an dem blauen Himmel die Sterne an, und da glänzte das Gestirn, das man den großen Bär nennt, ihr besonders tröstlich in das Herz. Da gedachte sie recht innigst an ihre verstorbenen Eltern, den Fürsten Ursus und die Fürstin Ursa von Bärwalde, welche sie nie gesehen hatte, und sprach: »Ach, mein geliebter Vater und meine liebe teure Mutter, ich habe euch nie gekannt, aber ich liebe euch doch wie ein frommes Kind; o, verlaßt mich nicht in meiner tiefen Angst; schaut auf euer armes Töchterlein; ich will ja alles ruhig ertragen, was über mich bestimmt ist.« Als sie diese Worte recht von Herzen gesprochen hatte, sieh, da war es, als wenn die zwei Sterne am Himmel zusammenstießen, und als wenn einer davon in den Schoß der guten Ursula herabfiele. Aber sie fand nichts. Ihr Herz war aber sehr gestärkt und ihre Seele ganz voll frischem freiem Mut. Schon stand der Mond tief über der dunkeln Waldschlucht, worin Munkelwust lag, als sie auf einmal ein wildes Horngetön erklingen hörte und aus dem Waldgrund herauf Pferdegetrapp tönte. Sie richtete sich auf und trat
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