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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Ursula. – »Ach ja«, seufzte der Vogel und sprach fort: »Als ich gehört hatte, daß du sterben solltest, flog ich auf den dürren Baum bei dem häßlichen Pumpelirio und wartete auf dich, und als Jerum sein Messer wetzte und du knietest und für ihn betetest, mußte ich vor unendlichem Grimm laut schreien. So oft er nun eines von seinen fünfzig Messern geschliffen hatte und neben sich legte, flog ich von der Nacht versteckt herzu und nahm das Messer weg und trug es auf den Baum. Das letzte aber hielt er fest in der Hand; ach! da zitterte ich für dein Leben und mein Zorn ward so groß, daß ich eines seiner früheren Messer auf seine Hand herabfallen ließ, mit welcher er soeben dein liebes, treues Herz durchbohren wollte. Meine Kinder und Freunde, welche still auf dem Baum gesessen, wurden nun auch so ergrimmt als ich, denn ich hatte ihnen erzählt, daß du von ihnen einst den Marder abgehalten, und da ergriffen sie alle die andern Messer und ließen sie auf den bösen Jerum fallen. Ach, in welcher Angst war ich, da du ihn mit deinem Leibe vor den fallenden Klingen schützen wolltest, du möchtest verletzt werden, aber ich konnte ihren Zorn nicht abwehren; doch der liebe Gott hat dich beschützt.«
    »Was du erzählst, ist schrecklich und traurig«, unterbrach Ursula den Vogel; »aber sage mir um Gotteswillen, ist Jerum noch am Leben? wird er wohl wieder gesund werden? und wo bin ich denn? werde ich je wieder aus diesen dunklen Mauern kommen?«
    Da erwiderte der Vogel: »Jerum ist schwer krank, aber ich zweifle nicht, er wird genesen. Gott wird ihn doch nicht sterben lassen, ehe er sein schweres Unrecht eingesehen und bereut hat; denn als man ihn mit dir nach Munkelwust zurückbrachte, machten seine Diener in der Nähe des Schlosses, welches wegen der Ankunft der neuen Königin schon prächtig erleuchtet war, halt und fragten ihn, was sie mit dir anfangen sollten. Da sagte er, sie sollten dich umbringen und begraben. Aber dein Anblick rührte sie, und da haben sie dich in den alten Turm des Schlosses gelegt und haben ihn vermauert. Gott hat es gefügt, daß ich, um dir nahe zu sein, in den letzten Tagen mein Nest da oben in dem Dache gebaut, und so denke ich denn, daß Gott es mir auch künftig vergönnen wird, an dir das Böse, das ich als Mensch getan, wieder gutzumachen.«
    »Gott sei gelobt und gepriesen«, sagte Ursula; »ach, wenn ich nur den lieben Sternhimmel sehen könnte, das würde mich recht stärken und trösten!«
    »Das sollst du, liebe Ursula!« erwiderte der Vogel; »überhaupt fasse Mut: alles, was ich nur auf Erden vermag, soll dazu dienen, dir dein Leben erträglich zu machen. Das Dach des Turmes ist ziemlich lose, ich will mit meinen Freunden Löcher hineinmachen, daß du den Himmel sehen kannst, und wenn es regnet, wollen wir es mit Strohhalmen und Moos decken. Ach, liebe arme Ursula! lasse mich nur sorgen, ich habe den Kopf voller Gedanken, dir Freude zu machen: wenn mir nur die Hälfte gelingt, sollst du in vielen Stunden glücklicher als manche Prinzessin sein, wenigstens glücklicher, als du es auf dem Schlosse Munkelwust warst. Lebe wohl, jetzt sorge ich dir vor allem für ein Lager und für Licht und für einige Erquickung.«
    Nach diesen Worten flog der gute Vogel in die Höhe des Turms und Ursula rief ihm nach: »Dank und Ehre und Preis sei Gott im Himmel, der dich guten Vogel bewogen hat, mich zu erhalten, damit ich fromm sei und beten kann.« Kaum war der Neuntöter oben auf dem Turm angekommen, als er mit seinen andern Gehülfen an einigen alten Ziegeln mit dem Schnabel den Kalk loshackte, und nach einigen Minuten hörte man die losen Steine über das Dach herunterrasseln und draußen an die Erde fallen. Ach, da sah der liebe blaue Sternenhimmel hinunter in den Turm, in die Augen, in das liebe treue Herz der frommen Ursula, wie in einen tiefen Brunnen voll Schmerz und Bitterkeit. Aber sein milder Schein brachte Friede und fromme Ergebung herein. Ursula lehnte ihr Haupt gegen die Mauer und sah ruhig hinauf. Da erkannte sie das Gestirn des großen Bären, das sie an ihre Eltern erinnerte, mit viel Freude, und betete recht fromm zu Gott für ihre Eltern, und den grausamen Jerum, und für Fanferlieschen, und fiel dann in einen sanften Schlummer. Gegen Morgen wurde sie von angenehmem Gesange erweckt. Da sah sie an den offenen Stellen des Daches mehrere Rotkehlchen und Distelfinken und Schwalben sitzen, die immer herabguckten und außerordentlich schön sangen; und da sie sich

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