Italienische Märchen
ich die gute Jungfer Fanferlieschen wieder heilen könnte.« Da hielt ihm der Vogel die Wurzel an die Schlösser seiner Fesseln, und siehe da, sie fielen ihm ab, und hielt sie an das Schloß der Kerkertüre, und sie sprang auf. Da machte Ursulus die Türe wieder zu, weil es noch Tag war, und wartete bis zur Nacht. Dann nahm er Abschied von dem lieben Vogel, sagte ihm tausend Dank, und durch die Berührung der Wurzel sprangen alle Türen und Tore auf, und so ging er traurig zur Stadt hinaus in lauter Angst und Trauer, wie er nur die Galle von dem Fische finden sollte; und so lief er immer in den wilden Wald hinein, und kein Mensch wußte damals, wo er hingekommen war.
In Munkelwust wartete der König Jerum mit großer Ungeduld auf die Rückkehr des Ursulus, und da er nicht kam, sprach Würgipumpa: »Wie wäre es, wenn wir miteinander nach Besserdich reisten, um der Fanferlieschen zu ihrer Genesung Glück zu wünschen; sie hält den Kommtzeitkommtrat gewiß mit Liebkosungen zurück. Wenn du auch nicht wieder König dort sein willst, so kannst du doch gute Freundschaft mit Jungfer Fanferlieschen halten.« Das war der König zufrieden, und sie zogen mit einem großen Gefolge nach Besserdich. Jerum war sehr traurig auf der Reise, Würgipumpa aber sehr lustig. Auf halbem Wege kamen ihm einige schwarzgekleidete Reiter entgegen. Jeder trug in der Hand eine Zitrone, in der andern Hand einen Ölzweig, und von ihren Hüten schleppten lange Trauerflore bis an die Erde hinab. Sie machten halt bei dem König, und er erkannte bald mehrere alte Bürger von Besserdich. Der eine sprach zu ihm: »König Jerum! so du dich wirklich gebessert hast, komme wieder zu uns in die Stadt und sei unser guter König; dieses hat uns Fanferlieschen zu sagen befohlen.« Bei diesen Worten weinten sie. Jerum sprach: »Ich habe mich bestrebt, besser zu werden, aber ich fühle doch, daß ich noch nicht verdiene, über andre zu herrschen. Sagt das der Fanferlieschen, und bittet sie um Erlaubnis, daß ich sie sehen darf. – »Ach«, sagten sie, »diese Freude kann sie nicht mehr haben, denn vor einigen Tagen ist sie durch eine Schwalbe blind geworden.« Da zitterte der König vor Schrecken und zog sein Schwert und wollte die Würgipumpa erstechen und schrie: »Verräterin, das hast du mir getan!« Würgipumpa warf sich vor ihm nieder und sprach: »Mein Gemahl, ermorde mich Unschuldige; mein Bruder hat es mich gelehrt, ich wußte nichts davon, daß dies den Augen schädlich sei.« Da steckte der König sein Schwert wieder ein und sprach zu den Herren: »Seht, wie soll ich über andre herrschen, da ich mich selbst nicht beherrschen kann.« Die Herren redeten ihm aber so lange zu, bis er mit ihnen nach Besserdich ritt. Als er wieder in seinem Schloß war, fragte er nach Fanferlieschen und nach Ursulus; aber man erzählte ihm, daß Ursulus aus dem Kerker entkommen sei, niemand wisse wie, und daß die blinde Jungfer Fanferlieschen, als sie sich den Tag nach ihrem Unglück habe in den Garten führen lassen, ein anderes Unglück gehabt habe. Sie habe sich auf eine Rasenbank gesetzt, und die habe sich unter ihr auf einmal in einen ungeheuren schwarzen Bock verwandelt und sei wie ein Pfeil mit ihr durch die Lüfte fortgefahren. Da rief der König mit Schrecken aus: »Ach, der böse Pumpelirio Holzebocke!« Er gab nun Befehl, überall nach dem Holzebock und Fanferlieschen und Ursulus zu suchen, und ritt selbst oft ganze Tage lang nach ihnen aus. Als er nun einstens abends nach Hause kam und traurig in seine Stube ging, welche Freude! Ursulus kam ihm entgegen. Der Jüngling fiel ihm zu Füßen, der König umarmte ihn und weinte. »Ach«, sagte da Ursulus, »wo ist Jungfer Fanferlieschen, daß ich sie wieder sehend mache? Seht, hier in dem Schneckenhaus habe ich von der Fischgalle, womit der blinde Tobias von seinem Sohne geheilt wurde; ach, wo ist sie, daß ich ihr helfe!« – »Ach und o weh«, sprach Jerum, »sie ist fort, niemand weiß, wohin; der Holzebock hat sie davon geführt.« Da ward Ursulus noch viel trauriger. Der König fragte ihn, wo er die Fischgalle her habe. Da erzählte Ursulus alles, wie es ihm gegangen mit dem guten Vogel, und zeigte ihm das Tobiasbüchlein und die Wurzel. »Und als ich«, sprach er, »in die Wildnis gelaufen, hat mich der Vogel an einen Fluß gebracht und hat da sehr lange mit einem alten Fischreiher gesprochen; der hat immer mit dem Kopf geschüttelt, als wisse er nicht, was für ein Fisch es sein müsse, weil im Büchlein
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