Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
Vom Netzwerk:
die Spitzen der zerbrochenen Säulen und auf die Mauervorsprünge und auf die hie und da drin wachsenden Büsche setzten und die Eröffnung des Gerichts erwarteten.
    Als die Vögel alle versammelt waren, trat Alektryo vor die Stalltüre, worin Hinkel und Gackeleia noch schliefen, und indem er gedachte, daß hier der Mord an der frommen Gallina geschehen, krähte er mit solchem Zorne in den Stall hinein und schlug dermaßen mit den Flügeln dazu, daß Frau Hinkel und Gackeleia mit einem gewaltigen Schrecken erwachten und beide zusammen ausriefen: »O weh! O weh! Da ist der abscheuliche Alektryo schon wieder; er ist gewiß dem Vater im Walde entwischt, wir müssen ihn nur gleich fangen.« Nun sprangen sie beide auf und verfolgten den Alektryo, mit ihren Schürzen wehend; er aber lief spornstreichs in die Kapelle hinein, und wie erschraken Hinkel und Gackeleia, als sie daselbst auf den Stufen des Altars den Gockel mit finsterm Angesicht, das große, rostige Grafenschwert in der Hand haltend, sitzen sahen! Sie wollten ihn eben fragen, wie er wieder hierhergekommen sei, aber er gebot ihnen zu schweigen, und wies ihnen mit einer so finstern Miene einen Ort an, wo sie ruhig stehenbleiben sollten, bis sie vor Gericht gerufen würden, daß sie sich verwundert einander ansahen.
    Der Hahn Alektryo ging immer sehr traurig und in schweren Gedanken mit gesenktem Kopfe vor Gockel auf und ab, wie ein Mann, der in traurigen Umständen sehr tiefsinnige, verwickelte Dinge überlegt. Ja, er sah ordentlich aus, als lege er die Hände auf den Rücken. Auch Gockel sah einige Minuten still vor sich hin, und alle Vögel rührten sich nicht. Nun stand Gockel auf und hieb mit seinem Grafenschwert majestätisch nach allen vier Winden mit dem Ausruf:
Ich pflege und hege ein rechtes Gericht,
Wo Gockel von Hanau das Urteil spricht
Und über den Mörder den Stab zerbricht.
     
    Nach diesen Worten flog Alektryo auf die Schulter Gockels und krähte dreimal sehr durchdringlich. Frau Hinkel wußte gar nicht, was dies alles bedeuten sollte, und schrie in größten Ängsten aus: »O Gockel, mein lieber Mann, was machst du? Ach, ich Unglückliche, er ist närrisch geworden.« Da winkte ihr Gockel nochmals, zu schweigen, und sprach:
Wer kömmt zu Rüge, wer kömmt zu Recht?
     
    Da trat Alektryo vor und sprach mit gebeugtem Haupt:
Alektryo klagt, dein Edelknecht!
     
    Ach, wie fuhr das der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia durch das Gewissen, als sie hörten, daß der Hahn reden konnte; sie zitterten, daß nun alles gewiß herauskommen würde. Da sprach Gockel:
Alektryo, was ward dir getan?
     
    Da trat Alektryo zu den Gebeinen der Gallina und sprach:
Ach Herr, schau diese Gebeinlein an!
Das war mein Weib und meine Brut,
Die Katze zerriß sie und trank ihr Blut.
Des schrei ich weh! und aber weh!
Und immer und ewig herrjemine!
     
    Bei diesen Worten krähte er wieder gar betrübt, und Gockel sagte:
Alektryo, du mein edler Hahn,
Ich hörte, du hättest es selbst getan.
Nun bringe du mir auch Zeugen bei,
Daß deine Klage wahrhaftig sei!
     
    Da antwortete Alektryo:
Weil ich die Faulen zu früh erweckt,
Ward vor Tag in den Sack gesteckt;
Ich hab nur gehört, hab nicht gesehn,
Wie das grausam Unglück geschehn.
Aber ich bitte alle die lieben Vögelein,
Sie sollen meine treuen Zeugen sein.
     
    Nach diesen Worten fingen alle die Vögel an, so gewaltig durcheinander zu zwitschern, zu schnarren und zu klappern, daß Gockel sprach:
Halt ein, hübsch still, macht kein Geschrei!
Ich will euch vernehmen nun nach der Reih,
Zuerst Frau Schwalbe, die früh aufsteht,
Mein Zeugenruf an dich ergeht.
     
    Da flog Frau Schwalbe heran und sprach:
Es ist wirklich, gewiß, sicherlich geschehn,
Ich wills immer und ewig nimmermehr wieder sehn,
Wie die wilde Kätzin und ihre Kätzchen
Sprengten mit zierlichen Sprüngen und Sätzchen
Und rissen ripps, rapps die Küchlein
und ihr Mütterlein treu Gripps, grapps
in viele, viele klein winzige Fetzen entzwei.
Ich blieb drüber im Schrecken
Schier im zierlichsten Gezwitscher stecken.
Ich bin im Begriffe gewesen,
Meinen Kindern, wie üblich, ein Kapitel aus der Bibel
Von Tobiä Schwälblein explizierend zu lesen.
Da geschah das himmelschreiende, grimmige Übel.
Als ich, wie's schicklich ist, mit witziger List meine Geschichte
Und Hirngespinste, die figürlichen, manierlichen Traumgedichte,
Meinen Kindern so ziemlich klimperklärlich im Schimmer
Des glitzernden Frühlichts rezitierte, ist, was ich nimmer
Sehen will, geschehen, die

Weitere Kostenlose Bücher