Italienische Novellen, Band 1
dahin, daß an Silber und Gewändern Mangel ward und der junge Graf die Ritter seines Landes entblößen mußte, um die fremden Hofleute auszustatten, womit nicht alle sich zufrieden bezeigten.
Eines Tages ward das Fest angeordnet und ein jähriger Sperber auf eine Stange gesetzt. Wer sich nun an Mut und Habe reich genug wußte und den erwähnten Sperber auf seine Faust nahm, der war verbunden, den Hof jenes ganze Jahr lang zu unterhalten. Die Ritter und Edelknappen, die fröhlich und wohlgemut waren, dichteten schöne Kanzonen, sowohl die Weise wie die Worte, und vier Merker waren bestellt, welche die gelungenen in Ansatz brachten und die übrigen den Dichtern zur Verbesserung empfahlen. So verbrachten sie die Zeit und sprachen viel zum Ruhm ihres Herrn und priesen seine Söhne als ritterlich und wohlgezogen.
Nun geschah es, daß einer dieser Ritter, den wir Messer Alamanno nennen wollen, ein Mann von großer Tapferkeit und Trefflichkeit, eine sehr schöne Edelfrau der Provence liebte, Dame Grigia, und zwar so geheim, daß ihn niemand bewegen konnte, sie kundzugeben. Die Edelknappen von Puy aber verbanden sich, ihn irrezuführen und zum Prahlen zu verleiten; sie sagten zu gewissen Rittern und Baronen: »Wir bitten euch, es beim nächsten Turnier so einzurichten, daß ein jeder großspreche.« Sie dachten nämlich: Der Ritter ist ein trefflicher Kämpfer und wird sich jenes Tages im Turniere hervortun und vor Freude in Hitze geraten; die Ritter werden sich alsdann rühmen, und dann wird auch er sich nicht enthalten können, mit seiner Dame zu prahlen. So leiteten sie es ein, und als der Tag des Turniers kam, gewann der Ritter den Preis der Waffen und geriet vor Freuden außer sich. Als man des Abends sich ausruhte, fingen die Ritter zu prahlen an: der eine mit schönen Damen, ein anderer mit schönem Waffenspiel, ein dritter mit schönem Schloß, dieser mit schönem Habicht, jener mit schönem Abenteuer. Da konnte der Ritter sich nicht enthalten, mit seiner schönen Dame zu prahlen. Als er nun heimging, um sich wie gewöhnlich mit ihr zu erfreuen, verabschiedete ihn die Edelfrau. Der Ritter geriet vor Schrecken außer sich, schied von ihr und der Gesellschaft der Ritter, floh in einen Wald und verschloß sich so heimlich in eine Einsiedelei, daß niemand davon erfuhr. Wer da die Betrübnis der Ritter, Frauen und Fräulein gesehen hätte, wie oft sie den Verlust eines so edeln Ritters beklagten, der hätte gewiß Mitleid gehabt. Eines Tages geschah es, daß sich die Edelknappen von Puy auf der Jagd verirrten und zu der besagten Einsiedelei gelangten. Er fragte sie, ob sie von Puy seien? Sie antworteten ja, und er erkundigte sich nach Neuigkeiten. Da fingen die Edelknappen an, ihm zu erzählen, wie es dort üble Neuigkeiten gebe, indem man um eines geringen Fehltritts willen die Blume der Ritterschaft verloren und seine Dame ihn verabschiedet habe, und wie niemand wisse, was aus ihm geworden sei: es sei aber für nächstens ein Turnier angekündigt, zu dem sich viele Edeln einfinden würden, und da dächten sie, er habe ein so edles Herz, daß er, wo er auch sei, erscheinen werde, um mit ihnen zu turnieren. Auch hätten sie Wachen von großer Gewalt und Klugheit ausgestellt, welche ihn sogleich festhalten würden, und so hofften sie Ersatz ihres großen Verlustes.
Da schrieb er einem vertrauten Freunde, er möge ihm am Tage des Turniers heimlich Roß und Waffen senden, und hierauf schickte er die Edelknappen weg. Der Freund erfüllte das Verlangen des Einsiedlers: am Tage des Turniers sandte er ihm Roß und Waffen, und dieser befand sich jenen Tag in dem Gewühl der Ritter und trug den Preis des Turniers davon. Die Wachen hatten ihn gesehen und erkannt, und sogleich trugen sie ihn auf den Händen zu großer Lust daher. Die Gesellschaft in ihrer Freude schlug ihm den Helmsturz vor dem Gesichte nieder und bat ihn inständigst, ein Lied zu singen. Er aber antwortete: »Ich singe nicht eher, bis ich Frieden von meiner Dame habe.«
Da wandten sich die edeln Ritter an die Edelfrau und baten sie inständig, ihm zu vergeben. Die Dame antwortete: »Sagt ihm, ich würde ihm niemals vergeben, wenn er nicht durch hundert Barone, hundert Ritter, hundert Edelfrauen und hundert Fräulein mich um Gnade bitten ließe: diese müßten alle einstimmig Gnade rufen, ohne zu wissen, wer sie gewähren solle.«
Der Ritter, der große Klugheit und Geschicklichkeit besaß, wußte, daß die Zeit heranrücke, wo ein großes Fest gefeiert
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