Italienische Novellen, Band 1
Ich will es Euch sagen.« Ließ sein Streitroß kommen, gesattelt und wohlgegürtet, schnallte die Sporen an und setzte den Fuß in den Bügel. Dann besann er sich eine Weile, sagte zum Grafen und sprach: »Euch, Herr, begreife ich nicht mit und nehme Euch nicht aus.«
Damit stieg er zu Pferde, gab ihm die Sporen und ritt von dannen.
Der Graf war sehr erzürnt, daß er nicht zu Hofe kam. Eines Tages kamen Frauen zu einem vornehmen Gastmahl zusammen: sie schickten nach Wilhelm von Bergdam aus; die Gräfin war auch dabei; und sie sprachen: »Nun, sag' uns, Wilhelm, warum hast du die provenzalischen Frauen so beschimpft? Das sollst du schwer büßen.«
Jede hatte ein Messer unter dem Kleide. Die Sprecherin fuhr fort: »Sieh, Wilhelm, wegen deiner Vermessenheit mußt du sterben.«
Wilhelm hub an und sprach, als er sah, daß er so in die Falle geraten war: »Nur um eines bitte ich euch, ihr Frauen, tut mir's zuliebe und gewährt es!« Die Frauen antworteten: »Bitte, nur nicht um deine Freilassung!«
Da hub Wilhelm an und sprach: »Gnädige Frauen, ich bitte mir aus, daß diejenige von euch, die am wenigsten keusch ist, mir den ersten Streich versetze.«
Da sah eine die andere an; aber keine wollte angreifen, und so kam er für diesmal durch.
Der arme Arzt
Ein Arzt in Toulouse nahm eine vornehme Dame aus Toulouse zur Frau, die Nichte des Erzbischofs. Er vollzog die Ehe mit ihr. In zwei Monaten bekam sie ein Mädchen. Der Arzt grämte sich deswegen nicht, sondern tröstete die Frau und setzte ihr die wissenschaftlichen Gründe auseinander, daß das Mädchen wohl seine Tochter sein könne. Und mit diesen Worten und mit freundlichen Mienen brachte er es dahin, daß die Frau über seine Gesinnung in die Irre ging. Während der Entbindung erwies er ihr große Ehre; nach der Entbindung sagte er zu ihr: »Gnädige Frau, ich habe Euch geehrt, so sehr ich konnte. Ich bitte Euch, aus Liebe zu mir jetzt in das Haus Eures Vaters zurückzukehren. Und Eure Tochter werde ich in großer Ehre halten.«
So gingen die Dinge weiter, als der Erzbischof erfuhr, daß der Arzt seiner Nichte den Abschied gegeben habe. Er schickte nach ihm, und weil er ein einflußreicher Mann war, sprach er kräftige Worte zu ihm, die mit Hochmut und mit Drohungen gemischt waren. Als er genug gesprochen hatte, antwortete der Arzt und sprach folgendermaßen: »Herr, ich nahm Eure Nichte zur Frau, indem ich glaubte, mein Reichtum sei hinreichend für die Ernährung meiner Familie; und es war meine Absicht, jedes Jahr ein Kind zu bekommen, und nicht mehr. Nun hat aber die Frau begonnen, Kinder in zwei Monaten auf die Welt zu bringen; ich bin aber nicht so wohlhabend, daß ich sie ernähren könnte, wenn das so weiterginge, und für Euch wäre es keine Ehre, wenn Eure Verwandtschaft in Armut käme. Daher bitte ich Euch um die Gnade, sie einem reicheren Manne zu geben, als ich bin, damit Euch keine Schande bereitet wird!«
Das Pferd an der Glocke
(Simrock, Das Pferd als Kläger)
Zu den Zeiten König Johanns war in Atri eine Glocke, die ein jeder, dem großes Unrecht geschah, läuten ging, worauf der König seine dazu bestellten Weisen versammelte und Recht sprach. Als diese Glocke lange bestanden hatte, geschah es, daß das Ende des Stranges verschlissen war, so daß man eine Zaunrübe daran gebunden hatte. Nun hatte ein Ritter aus Atri ein edles Roß, das so gealtert war, daß es keine Dienste mehr leisten konnte, und um es nicht beköstigen zu müssen, ließ es der Herr frei umherlaufen. Das hungrige Pferd geriet mit dem Maul an jene Zaunrübe und wollte sie abweiden: die gezogene Glocke begann zu läuten. Sogleich versammelten sich die Richter und sahen die Bitte des Pferdes, das um Recht zu flehen schien. Sie urteilten, daß der Ritter, dem es in der Jugend gedient habe, es im Alter zu ernähren verbunden sei. Da ward es ihm von dem König bei schwerer Strafe anbefohlen.
Trost der Witwe
(Die Matrone von Ephesus)
Der Kaiser Friedrich ließ eines Tages einen vornehmen Edelmann wegen irgendeiner Missetat aufhängen, und um die gerechte Strafe in ein helles Licht zu stellen, ließ er ihn von einem vornehmen Ritter bewachen mit Androhung schwerer Buße, wenn er ihn abnehmen ließe.
Als aber der Wächter etwas nachlässig war, wurde der Gehenkte weggetragen. Als jener das merkte, ging er mit sich zu Rate, aus Furcht, er möchte den Kopf verlieren. Es war Nacht, und indem er so nachsann, fiel es ihm ein, in eine Abtei zu gehen, die nahe dabei lag, um zu
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