Italienische Verführung
dich holt, willst du wohl sagen!“, schrie sie und warf mit der Schale Eiscreme nach ihm.
Anthony duckte sich. Lucia zielte ausgezeichnet, doch aus leidvoller Erfahrung wusste er, dass sie immer ein wenig zu weit nach links warf.
Sie fluchte, weil sie ihn nicht getroffen hatte. Andere Gäste erhoben sich und stießen erstaunte Rufe aus. Kutschen fuhren langsamer, damit die Insassen eine bessere Sicht auf die Szene hatten. Kellner eilten herbei und entfernten die Eiscreme und das zersplitterte Glas, während der Besitzer des Cafés sich höchstpersönlich bemühte, Lucia zu beruhigen.
Da ihm jetzt niemand Beachtung schenkte, machte Anthony sich aus dem Staub und überließ Lucia dem Publikum, nach dem ihr so sehr verlangte.
Als die Kutsche wendete, spannte Diana den Schirm auf, um ihr Gesicht nicht der Sonne auszusetzen. Inzwischen waren viele aristokratische römische Familien aus ihren Sommervillen in die Stadt zurückgekehrt, und der Corso war mit Kutschen und Reitern so überfüllt, dass es für Fußgänger keinen Platz mehr gab. Aufgeregt rief man einander Begrüßungen zu, und es schien, als hätten all diese schön gekleideten Menschen sich seit Jahren, anstatt wie in vielen Fällen nur seit ein paar Tagen, nicht mehr gesehen.
Diana wurde wegen ihres englischen Aussehens und ihrer hellen Haar nicht selten bewundernd gegrüßt. Glücklich lehnte sie sich in die Kissen und nickte einem jungen Engländer hoch zu Ross zu, der vor ihr den Hut zog. Sie wollte jetzt nicht an Will Carneys Brief denken. Morgen würde sie ihn sehen und sich dann mit dieser Sache befassen. Nun tat sie ihr Bestes, um einfach nur Spaß zu haben. An einem schönen, sonnigen Nachmittag in einer offenen Kutsche zu fahren, wo viele schöne Herren ihr ihre Bewunderung zeigten: Das war angenehmer, als sich durch staubige Ruinen zu schleppen, die doch alle gleich aussahen.
„Ich muss schon sagen, Mylady, die Herren hier sind ziemlich dreist“, verkündete Miss Wood, die wie immer wachsam an ihrer Seite ausharrte. „In London würden sie es nicht wagen, Sie so formlos zu grüßen.“
„Wir sind aber nicht in London, Miss Wood“, erwiderte Diana und ließ vergnügt ihren Sonnenschirm ein wenig kreisen. Sie musste gerade an Antonios hübsches schwarzes Pferd im Domus Flavia denken und fragte sich, ob er jemals auch den Corso entlangritt. „In Rom ist jeder viel freundlicher.“
„In Frankreich waren sie auch freundlich“, meinte Miss Wood unheilvoll. „Und Sie wissen ja, was dabei herausgekommen ist.“
„Ja, dass Mary John traf und damit die große Liebe ihres Lebens. Und es besteht absolut kein Grund für uns, dass wir uns über etwas aufregen, was durch eine Heirat zu einem so glücklichen Ende kam“, sagte Diana. „Außerdem, wenn Gentlemen den Hut ziehen, so bringt das doch wohl kaum Schmach und Schande.“
Entrüstet rümpfte Miss Wood die Nase. „Ich wünschte immer noch, unseren Freunden Lord Edward und Reverend Lord Patterson wäre es möglich gewesen, sich uns anzuschließen, Mylady.“
„Und ich bin eher froh, dass sie es nicht taten“, entgegnete Diana. „Sie benehmen sich, als wären wir zwei hilflose Damen, die ihren Schutz brauchen. Und das sind wir ganz gewiss nicht.“
Unter dem großen flachen Rand ihres schlichten Hutes sah Miss Wood sie düster an. „Wir mögen vielleicht nicht ganz hilflos sein, Mylady, doch es hat Situationen gegeben, wo ein vertrauenswürdiger Gentleman von großem Trost und Nutzen für uns gewesen ist.“
Diana zog die Nase kraus. Heute spukte ihr viel zu sehr Antonio im Kopf herum, als dass sie einen Gedanken an Lord Edward und seinen Onkel verschwenden wollte.
„Ich fände es besser, wenn wir uns auf uns selbst verließen“, begann sie an. „Und ich bin nicht der Meinung …“
„ Buongiorno, mia bella donna.“
Ihr Herz fing an zu rasen beim unverwechselbaren Klang von Antonios Stimme, und sie fuhr auf ihrem Sitz herum. Er zügelte sein Pferd, um neben ihrer Kutsche herzureiten, und der schwarze Wallach tänzelte ungeduldig, weil er zu diesem Schneckentempo gezwungen wurde. Anthony war mit nachlässiger Eleganz gekleidet. Der Kragen seines Hemdes stand offen, und er hatte sich ein gemustertes Seidentuch um den Hals geschlungen. Vom schwarzen Dreispitz, den er tief ins Gesicht gezogen trug, wehte eine Fasanenfeder, wie sie kein Engländer je an seinem Hut tragen würde.
Er lächelte, und Diana errötete.
Sein Lächeln wurde breiter, und plötzlich erschien ein
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