Italienische Verführung
Majestät zu dienen.
Doch wie war Will entkommen und hatte sie hier gefunden? War er vom Schiff gesprungen und hatte seine Pflichten im Stich gelassen und sie bis nach Rom verfolgt? Sie hatte Will als gutmütig, wenn auch nicht gerade als besonders gescheit in Erinnerung. Nie hätte sie ihn zu einer solchen Erpressung für fähig gehalten.
Wieder studierte sie den Brief. Sie sollte ihn sofort Miss Wood zeigen. Das hier war doch genau die Art von Problem, vor der die Gouvernante sie bewahren sollte, oder etwa nicht? Miss Wood könnte die Obrigkeit oder die Gesetzeshüter hier in Rom kontaktieren und dafür sorgen, dass Will verhaftet und bestraft wurde. Und damit wäre alles erledigt.
Zumindest würde es sich so in England abspielen. Die Römer waren ein charmantes, reizendes Volk, doch was ihre Behörden betraf, so erstaunte Diana deren entsetzliche Nachlässigkeit und Bestechlichkeit. Sie hatte es gleich gemerkt, da es drei Tage und zahllose Bestechungsgelder gebraucht hatte, nur um ihre Sachen durch den römischen Zoll zu bekommen. Diana vertraute also nicht darauf, dass ihr Geheimnis gewahrt bliebe oder dass Will rechtzeitig verhaftet, ja dass er überhaupt gefangen genommen würde.
Ihr Vater hatte sie in erster Linie nicht nur zur Bestrafung auf diese Reise geschickt, sondern um jeglichen Skandal zu vermeiden, bevor man sie bei Hofe präsentierte und die wichtige Aufgabe in Angriff nahm, einen Ehemann für sie zu finden. Doch was wäre, wenn hier in Rom ans Licht kam, dass Lady Diana Farren eine Liebschaft mit dem Reitknecht ihres Vaters gehabt hatte, und das auch noch in den Stallungen! Die Nachricht würde in kürzester Zeit London erreichen, da konnte sie sicher sein. Und noch bevor sie wieder in Dover ankäme, wäre ihr Ruf unwiederbringlich dahin.
Hier in Rom, weit weg vom Herrschaftsgebiet des allmächtigen Duke of Aston, besaß Vaters Wort nicht die Macht, sie erneut zu beschützen. Der ach so anständige Edward hätte dann wahrscheinlich kein Interesse mehr an ihr. Doch etwas anderes beschäftigte Diana noch viel mehr: Will schwor, dem „Herrn, den Sie jetzt lieben“ alles zu erzählen, sollte sie seine Forderungen nicht erfüllen. Meinte er damit Edward oder Antonio? Oder klopfte er einfach nur auf den Busch, weil er vermutete, dass zumindest einer der Gentlemen ihr seine Aufmerksamkeit schenkte? Wenn sie zu Miss Wood ging, würde sie ihr die Sache mit Antonio erklären müssen und das – nein, das konnte sie nicht.
Wo sollte sie nur das Geld hernehmen, das Will verlangte? All ihre Barschaft wurde von Miss Wood verwaltet. Diana selbst besaß so gut wie nichts, und sie hatte auch keinerlei Schmuck von Wert dabei. Das hatte Vater verboten, da Schmuck nur Diebe anlocken würde. Und sie besaß auch sonst nichts, das sie gewinnbringend verkaufen könnte.
Auf einer ihrer Fahrten hatte sie die Fontana di Trevi gesehen. Sie war nicht weit entfernt. Zwei Uhr nachmittags, die von Will bestimmte Zeit, war die wärmste des Tages, und fast die ganze Stadt dürfte dann schlafen, Miss Wood, Edward und sein Onkel eingeschlossen. Diana könnte sich davonschleichen, die Mietkalesche samt Kutscher benutzen, die Signor Silvani jeden Tag für sie bereithielt, und ohne dass es jemand erfuhr, zu Will und wieder zurück zur Piazza di Spagna fahren.
Sie faltete den Brief zusammen, während sich ihre Gedanken überstürzten. Wenn sie Will nur klarmachen könnte, dass es Vater gewesen war, der ihn fortgeschickt hatte, und nicht sie. Vielleicht würde er dann diese dumme Erpressung vergessen. Selbst wenn er es nicht tat, konnte sie ihn vielleicht davon überzeugen, die Sache für sich zu behalten, bis sie wieder in England war und dort etwas für ihn tun konnte.
Und wenn er mehr als nur ihre Versprechungen wollte und trotzdem weiter mit seiner Geldforderung drohte? Nun, dann – dann musste sie sich eben etwas anderes ausdenken.
„Mylady?“ Ihre Zofe Deborah stand erwartungsvoll in der Tür. „Miss Wood sagt, Sie wünschten, sich für eine Kutschfahrt anzukleiden. Soll ich das blaue Tageskleid bereitlegen oder das gelbe mit dem passenden Sonnenschirm?“
„Das blaue Kleid, Deborah, danke.“ Rasch knüllte sie den Brief zusammen, und kaum hatte das Mädchen sich abgewendet, bückte sie sich und stopfte ihn zwischen die Matratze und die Federung.
„Kommen Sie, Mylady?“, fragte Deborah und hielt ihr das blaue Kleid hin. „Miss Wood sagt, wenn Sie ausfahren möchten, müssten Sie sich beeilen. Aber wenn Sie Ihre
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