It's Showtime
Strafe (genauso wie Lob) effektiv ist, damit also das Pferd auch ihren Sinn versteht, muss sie bis spätestens drei Sekunden nach dem unerwünschten Verhalten erfolgen, danach ist sie wirkungslos, weil das Pferd die Verknüpfung nicht mehr herstellen kann.
Oftmals wird ein Verhalten durch Strafe nur vorübergehend abgeschwächt oder unterdrückt. Nicht selten lernt das Pferd jedoch, noch geschickter zu sein. Schnappt Ihr Pferd nach Ihnen und Sie bestrafen es dafür, wird es möglicherweise das nächste Mal einfach besser aufpassen, um der Strafe zu entgehen. Folglich wird es warten, bis Sie ihm den Rücken zukehren (und damit zum Strafen „außer Reichweite“ sind) und Sie dann erneut zwicken. Strafen Sie erst dann, ist es meist schon zu spät. Erreichen Sie das Pferd noch rechtzeitig mit Ihrer Strafe, wird es das nächste Mal während Ihrer Abwesenheit vielleicht eine andere Person zwicken, die dann so überrascht ist, dass sie ebenfalls nicht rechtzeitig straft, dem Pferd aber Aufmerksamkeit (= Sozialkontakt) zukommen lässt. Sozialkontakt ist ein primärer (angeborener, also nicht erlernter) Bestärker, und somit wird das Pferd für seine Tat auch noch belohnt. Als Konsequenz daraus wird es wieder zwicken.
Strafe ist also nur dann effektiv, wenn sie bei jedem Auftreten des Verhaltens unmittelbar erfolgt – und wer kann schon 24 Stunden am Tag bei seinem Pferd sein? Darüber hinaus erhält das Pferd bei Bestrafung immer nur eine halbe Information, nämlich dass sein Verhalten falsch war, nicht jedoch, wie es sein Verhalten ändern kann oder welches das richtige Verhalten ist. Deshalb ist es nur logisch, eine richtige Reaktion des Pferdes positiv zu bestärken, statt darauf zu warten, eine falsche Reaktion zu bestrafen.
Durch permanente Strafe ohne das Aufzeigen von Lösungswegen werden Pferde schnell verunsichert. Dies gilt auch für gegen sie gerichtete Aggression (und Strafe stellt in der Tat eine Aggression dar!), die sie nicht verstehen, wenn zum Beispiel ein Verhalten bestraft wird, das sonst bestärkt wurde. Auch Strafe für ein Verhalten, das vom Pferd nicht als falsch eingestuft werden kann, wie Buckeln oder Steigen als Reaktion auf Schmerzen, führt zu starker Verunsicherung. Das Pferd reagiert mit Stress, was die Lernvorgänge im Gehirn behindert. Deshalb sollte Stress unbedingt vermieden werden. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem von Strafe ist die sogenannte „erlernte Hilflosigkeit“. Ein Pferd, das ausschließlich durch Strafe ausgebildet wurde, wird irgendwann kaum noch in der Lage zu sein, Neues zu lernen. Ihm wurde die Motivation und die Neugierde genommen, Neues auszuprobieren, sodass es vorsichtshalber nur noch Verhaltensmuster zeigt, bei denen es sicher ist, dass keine Strafe erfolgt.
Negative Strafe oder Auslöschung
Negative Strafe bedeutet, dass etwas für das Pferd Angenehmes entzogen wird oder ausbleibt. Auf ein Verhalten erfolgt weder ein positiver noch ein negativer Reiz; das Verhalten wird ignoriert. Auf diese Weise lässt sich auch ein bereits erlerntes Verhalten wieder löschen. Bleibt der positive Reiz aus, also die Motivation, ein Verhalten zu zeigen, wird das Verhalten zunächst zwar noch wiederholt gezeigt, dann aber sinkt die Motivation und das Verhalten bleibt aus: Es ist gelöscht.
Wenn ein Verhalten gelöscht wurde, heißt dies nicht, dass es nie wieder auftritt. Ignorieren, das klassische Beispiel der negativen Strafe, funktioniert gerade bei unbewusstem (also nicht gelerntem) Verhalten nur dann, wenn es wirklich konsequent erfolgt. Wird das Verhalten erneut ausgelöst und dann durch Aufmerksamkeit unbewusst bestärkt, tritt es auch wieder auf.
Das Ignorieren des Pferdes kann in gewissen Situationen strafend wirken. Dem Pferd wird die Aufmerksamkeit und damit der Sozialkontakt entzogen. (Foto: Gabi Appelt)
Manches Verhalten lässt sich durch diese Methode gar nicht löschen, da es selbstverstärkend ist. Ein Pferd, das mangels Sozialkontakt die ganze Zeit wiehert, wird auch durch Ignorieren nicht aufhören, da das Verhalten an sich selbstverstärkend ist, das heißt, dass das Pferd sich durch sein Verhalten selbst belohnt. Ebenso wird ein Pferd, das den „Überblick“ beim Besteigen eines Podestes liebt, dies auch bei ausbleibendem Lob nicht unterlassen.
Eine erfolgreiche Anwendung der negativen Strafe lässt sich am Beispiel eines kleinen Kindes und seiner Eltern erklären. Für gewöhnlich fangen viele Kinder an zu jammern, wenn sie ein
Weitere Kostenlose Bücher