Ivanhoe
hebräischer Sprache einige Anweisungen und dieser, der schon in vielen Fällen ihr Gehilfe gewesen war, kam ihren Weisungen rasch und schweigend nach. Ivanhoe tat keine Fragen, sondern ließ alles ruhig mit sich geschehen, und erst als der zärtliche Arzt seines Amtes gewaltet hatte, vermochte er nicht länger seine Neugierde zu unterdrücken.
»Holde Maid,« begann er in arabischer Sprache, die er im Morgenlande erlernt hatte. »Ich bitte dich, holde Maid, deine Güte –« Aber die schöne Ärztin unterbrach ihn und auf dem Antlitz, dessen gewöhnlicher Ausdruck sanfte Schwermut war, zeigte sich ein Lächeln. »Ich bin aus England, Herr Ritter, und spreche Englisch, wenn auch meine Kleidung und mein Volk aus fremdem Lande sind.«
»Holdes Edelfräulein,« begann der Ritter von Ivanhoe abermals, aber wieder unterbrach ihn Rebekka rasch. »Nennt mich nicht edel, Herr Ritter. Es ist erforderlich, daß Ihr sogleich erfahrt, wer Eure Pflegerin ist. Es ist eine Jüdin, die Tochter des armen Isaaks von York, den Ihr vor kurzem so gütig und milde behandelt habt. Ihm und den Seinen kommt es wohl zu, Euch Hilfe zu leisten in Euerm jetzigen Zustande.«
Wer weiß, ob die schöne Rowena die Gedanken gebilligt hätte, mit denen bisher der ihr ergebene Ritter die edle Gestalt, das schöne Angesicht und die strahlenden Augen der reizenden Rebekka angeschaut hatte. Lange seidene Wimpern beschatteten den Glanz dieser Prachtgestirne. Aber Ivanhoe war ein zu guter Katholik, um diese Gefühle auch noch zu hegen, nachdem er erfahren hatte, daß sie eine Jüdin war. Das hatte Rebekka von vornherein gewußt, und darum hatte sie sich so beeilt, ihm Namen und Abstammung ihres Vaters zu nennen.
Die weise und schöne Tochter Isaaks war nicht völlig frei von weiblicher Schwäche. Im Innern seufzte sie leise, als sich der Blick ehrfürchtiger Bewunderung und stiller Zärtlichkeit, mit dem Ivanhoe seine unbekannte Wohltäterin betrachtet hatte, plötzlich in Kälte, Zurückhaltung und abgemessene Förmlichkeit verwandelte, die keine stärkere Gefühlsäußerung verrieten, als den spärlichen Dank, mit dem Dienste gelohnt werden, die jemand von einer Person niedrigeren Standes unerwarteterweise empfangen hat. Wohl hatte auch in seinem vorigen Benehmen Ivanhoe kein anderes Gefühl ausgedrückt als die übliche Huldigung, die die Jugend der Schönheit darbringt, aber es war doch kränkend für die arme Rebekka, daß sie ein einziges Wort wie mit einem Zauberschlage in eine entwürdigte Klasse versetzte, der man, ohne seine eigene Ehre zu schädigen, nicht die gleichen Ehren erzeigen durfte. Aber Rebekka rechnete es in ihrer Edelmütigkeit Ivanhoe nicht zum Mangel an, daß er die Vorurteile seiner Zeit und seiner Religion teilte. Obgleich es sie tief schmerzte, daß er sie nun als Mitglied eines verworfenen Geschlechtes ansah, mit den man nur im Falle äußerster Not Gemeinschaft pflegen dürfe, wenn man sich nicht selber entehren wollte, fuhr sie dennoch fort, ihn mit größter Sorgsamkeit und Geduld zu pflegen. Sie teilte ihm mit, daß sie morgen nach York reisen müßten. Ihr Vater habe sich entschlossen, Ivanhoe mitzunehmen und ihn in seinem Hause zu lassen, bis er völlig genesen sei. Damit war Ivanhoe gar nicht einverstanden, indem er vorgab, er wolle seinen Wohltätern nicht länger zur Last fallen.
»Wohnt nicht in Ashby oder in der Nähe irgend ein sächsischer Franklin, oder nur ein wohlhabender Bauer, der es auf sich nehmen könnte, einen verwundeten Ritter zu pflegen, bis er seine Rüstung zu tragen vermag? – Ist hier kein Kloster, das von Sachsen gestiftet ist, und das ihn aufnehmen könnte?«
»Freilich,« sagte Rebekka, »wäre die schlechteste Herberge ein schicklicherer Aufenthalt für Euch, als die Wohnung eines Juden. Aber wenn Ihr den Arzt nicht wechseln wollt, Herr Ritter, so müßt Ihr schon hier bleiben. Unser Volk ist, wie Ihr wohl wißt, bewandert in der Kunst, Wunden zu heilen, wenngleich wir selber nie solche schlagen, und besonders in unserer Familie sind Geheimnisse noch aus der Zeit Salomos aufbewahrt. Kein Nazarener – verzeiht mir bitte – kein christlicher Wundarzt innerhalb der vier Seen Britanniens ist imstande, Euch in einer kürzeren Zeit als vier Wochen soweit wieder zu heilen, daß Ihr Euern Panzer wieder tragen könnt.«
»Und in welcher Zeit könnt Ihr es?« fragte Ivanhoe ungeduldig.
»Wenn Ihr geduldig und fügsam seid, in acht Tagen.«
»Bei der heiligen Jungfrau!« sagte Wilfried. »Es ist
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