Ja, Liebling
unauffällig bleiben.
Sie stöberte eins der Cafés nach dem anderen auf — diese gemütlichen kleinen Lokale, wo die Frauen aus ihren Schuhen schlüpfen und zu viel Sahnetorte essen, während sie sich über ihre atmen gequälten Füße unterhalten; die Espresso-Bars, in denen die Studenten sich zusammenfanden, angeregt diskutierten, schwarzen Kaffee tranken und die Welt erneuerten; am unterhaltsamsten waren jedoch die Keller-Bars in den ruhigen Straßen, wo man einen sehr guten Kaffee bekam und vor Rauch fast nichts sehen konnte. Ab und zu stürzte ein bedeutend aussehender Mann herein, rief seinen Freunden ein paar Grüße zu, unterhielt sich sorgenvoll über die Einkommensteuer oder China und sah dabei ungewöhnlich überlegen und wohlhabend aus. Alle diese Sorten von Cafés besuchte Margaret, sooft sich ihr Gelegenheit bot.
Natürlich erregte sie einige Aufmerksamkeit, denn sie war immer noch eine sehr hübsche Frau, die sich gut, wenn auch unaufdringlich kleidete. Sie hielt sich von allen Bekanntschaften fern, trank langsam und gedankenvoll ihren Kaffee, beobachtete still die Menschen, hörte ihnen zu, ohne es sich anmerken zu lassen und erfuhr allerhand ungewöhnliche und amüsante Dinge.
Danach ging sie so rasch wie möglich nach Hause und schrieb alles in die Schulhefte, die in Herveys Schreibtisch wohlverschlossen lagen. Diese Schreiberei, zunächst nur als Ablenkung an einsamen Tagen gedacht, wurde für sie immer wichtiger. Sie entfloh damit dem grauen Alltag und freute sich eigentlich schon darauf, daß sie endlich ihrem Hobby mehr Zeit widmen konnte. Dann fiel ihr ein, daß dieses neue Leben vielleicht so interessant werden konnte, daß sie gar nicht mehr auf die Menschen zurückzugreifen brauchte, die nur in ihrer Phantasie existierten, vielleicht kam sie hier mit wirklichen Menschen und wirklichen Dingen in Berührung.
Janet Thronton, zum Beispiel, war Wirklichkeit. Die Pächtersfrau war herübergekommen, gleich nachdem Cecily gegangen war, und hatte ihr ein halbes Dutzend frische Eier und ein paar Stücke Blätterteigkuchen gebracht. Sie war eine recht hübsche, lebensvolle Frau von fünfzig, die es sich offenbar zur Regel gemacht hatte, >nirgends mit leeren Händen hinzugehen< und die es auch nicht fertigbrachte, >herumzusitzen, wenn es noch Arbeit gibt<. Nach einem einzigen Blick auf das Durcheinander aus Stroh, Holzwolle und offenen Kisten hatte sie sich sofort an die Arbeit gemacht und Margaret geholfen, die Bilder abzunehmen, andere aufzuhängen und ihre hübschen Sachen auf Schränke und Regale zu verteilen.
»So«, sagte sie schließlich und schaute sich prüfend um, »dieses Zimmer haben Sie schon gründlich umgemodelt. Es war vorher ziemlich langweilig, nicht wahr? In so einem Zimmer konnte sich nur ein Mann wohl fühlen, aber keine Frau. Eine Tasse Tee sagten Sie? Keine schlechte Idee. Danke, trinke ich gern, aber bitte in der Küche, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Die Tasse Tee machte sie gesprächig. »Ich habe heute Ihre Nichten vorbeifahren sehen, und ich muß schon sagen, es kommt mir eigentlich recht albern vor, daß Sie die Tante sein sollen. Sie sehen genauso jung aus wie die Mädchen, wenn Sie diese persönliche Bemerkung entschuldigen. Hübsche Mädchen, nicht wahr?«
Margaret stimmte ihr zu und erzählte dann, daß sie sehr viel jünger war als ihr Mann und daß sie die Mädchen bei der Heirat schon mit übernommen hatte.
»Nicht möglich! Ziemlich schwierige Sache, würde ich sagen, aber die mögen Sie anscheinend sehr gern. Das sieht man schon, weil sie gleich am ersten Morgen herauskommen. Die Kleine ist Ihre Stieftochter, sagten Sie? Auch sehr hübsch, nicht wahr? Und sehr klug, wie man hört.«
Mrs.Thronton war ein netter Mensch und sehr tüchtig. Natürlich würde sie versuchen, Margaret auf freundliche und höfliche Weise zu dirigieren, aber das war sie schließlich gewohnt. Sie sagte: »Wir haben uns alle auf Ihr Kommen gefreut, Mrs. Neville. Schade, daß es nur ein so kurzer Besuch ist. Aber wer weiß, vielleicht gefällt es Ihnen so gut hier bei uns, daß Sie länger bleiben. Die Leute hier sind sehr freundlich. Wir haben schon auf einer anderen Farm gearbeitet, bevor wir hierhergezogen sind, und so kennen wir sie alle. Im Augenblick wird Geld für die Erweiterung des Versammlungshauses gesammelt, aber damit möchte ich lieber nicht anfangen, wo Sie doch gerade erst eingezogen sind.«
»Ich will gern helfen.«
»Oh, das ist aber fein. Die Damen werden sich
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