Ja, Liebling
verdammten Buch.
Er ging ins Haus und stellte überrascht fest, wie nett und frisch Annette aussah. Später mußte er zugeben, daß es ihre Ähnlichkeit mit der Tante war, die ihn zuerst angezogen hatte, aber jetzt sah er in ihr ein hübsches, vernünftiges Mädchen, das mit einer Näharbeit ruhig am Feuer saß und zu Hause blieb, um anderer Leute Kinder zu betreuen. Anderer Leute Großneffen und Großnichten, wie er verärgert feststellte.
Mit einem leise bekümmerten Lächeln konstatierte er, daß er seine Krankheit in diesem Augenblick völlig überwunden hatte.
Unterdessen steuerte Holder geschickt den Wagen durch die Stadt und dachte: Jetzt ist die richtige Gelegenheit. Keine Aufmerksamkeit verlangenden jungen Leute in der Nähe, keine Kinder und keine Frauenvereine, um sie abzulenken. Als guter Stratege brachte er die Rede auf ihr nächstes Buch.
»Sie müssen sich einfach die Zeit dazu nehmen. Diese jungen Frauen haben alle eigene Ehemänner.«
»Ja, aber sie brauchen mich. Elinor hat großen Erfolg in der Gesellschaft und bekommt viele Einladungen, da sind ihr die Kinder oft zuviel. Daß Philippa und ihr Mann einmal miteinander wegfahren können, ist sehr wichtig. Außerdem ist noch Cecily da. Sie bedeutet mir so viel, weil ich diese einsamen Jahre ohne sie nicht ausgehalten hätte, und jetzt braucht sie mich. Sehen Sie denn nicht ein, daß diese Menschen viel wichtiger sind als das Buch?«
Das klang gefährlich. Diese schreckliche Familie entpuppte sich tatsächlich als ernstes Hindernis. Er sagte: »Wir reden nachher noch einmal darüber. Jetzt sind wir da.«
Der Film gefiel beiden sehr gut. Sie freuten sich über die gleichen gelungenen Szenen, die gleichen Pointen, sie lachten über die gleichen Witze. Als sie nach Hause fuhren, sagte er: »Wissen Sie, man kann für diese jungen Leute auch zuviel tun. Schließlich ist das Angelegenheit ihrer Ehemänner. Sie sollen lieber ihr eigenes Leben leben.« Dann änderte er den Ton: »Aber ich predige Ihnen dauernd etwas vor und Sie zeigen so viel Geduld. Unterhalten wir uns noch eine Weile, die Nacht ist so schön. Sollen wir nicht da zum Hügel hinauf fahren? Da hat man einen sehr schönen Blick über die Stadt.«
»Gern«, sagte sie und fragte sich, ob es ihr wohl gelingen würde, ihm die wirkliche Situation klarzumachen. Es war ihre eigene Schuld, daß sie in der Zeit, als sie noch schwach und nachgiebig war, die Gewohnheit angenommen hatte, immer nur >Ja, Liebling< zu sagen.
Er parkte den Wagen. Tief unten konnten sie das Meer und die Lichter der Stadt sehen.
Holder sagte: »Sie dürfen nicht denken, daß ich mich einmischen will. Ich kenne Sie ja erst so kurz. Ich habe Ihr Buch gelesen und wollte die Autorin finden. Ich habe aber noch mehr gefunden — einen Freund, der die gleichen Vorlieben hat, die gleichen Sympathien: einen Menschen, der ein echtes Talent besitzt, eine Gabe für feine, humorvolle Beobachtung, und obendrein die Gabe, das alles auch niederzuschreiben. Dieser Mensch interessiert mich viel mehr als das Buch.«
Bis hierhin gefiel ihm das ganz gut. Kein Wort von Liebe, keine Andeutung von Heirat. Davon hatte sie bestimmt genug, nachdem dieser Hervey sich so unbedacht in sie verliebt hatte. Diesmal mußte es eine Gemeinsamkeit von Gedanken und Interessen sein. Sie hatte eine Begabung für Freundschaften — mit Mrs. Thornton, mit David und Annette. Aber er konnte ihr noch mehr geben — die wirkliche Kameradschaft eines fast Gleichaltrigen und eine echte, tiefe Zuneigung.
Er hatte seine Worte so klug gewählt, daß Margaret ganz gerührt war. Sie sagte: »Es ist nett von Ihnen, sich so für mich zu interessieren, aber wie soll man einem Mann schon klarmachen, wie dumm und schwach ein junges Mädchen sein kann, wenn es einmal aus seiner Umgebung gerissen wird und alleinsteht. Es war mein Fehler, natürlich. Ich hätte mehr Charakterstärke zeigen müssen; aber ich ging in der Familie einfach unter.«
»Das ist mir auch klar. Aber nun ist Ihr Mann doch schon seit Jahren tot.«
»Ja, seit fünf Jahren.« Ihre Stimme verriet kein Gefühl, wenn sie über ihn sprach.
»Dann war doch bestimmt Zeit genug... ich meine, seine Nichten haben geheiratet, seine Tochter auch.« Er sagte ganz bewußt >seine<, damit sie endlich einmal kapierte, daß es nicht ihre Tochter war.
»Das schon, aber dafür wurde ich bald Großtante.« Sie mußten beide lachen. Sie fuhr in frischem Ton fort: »Ich glaube, jetzt werde ich aber doch wieder mit dem
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