Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
durch die Tür gesprungen. Erst um Mitternacht fährt wieder ein Wagen vor. Wir hören eine Autotür zuschlagen.
«Wea is des jetzat?», fragt Urs und grinst. Ich grinse auch. James dreht die Musik lauter. Die Tür öffnet sich zaghaft, nur einen Spalt weit. Carsten, der schon fast wieder Grünkohlwanderungspegel erreicht hat, reißt sie auf.
Christoph.
Ich glaube, ich sehe nicht richtig. James macht die Musik aus. Stille. Dann frage ich einfach mal: «Was willst du denn hier?»
Christoph schaut betreten zu Boden.
«Na ja, die Vero, äh, Roni meinte, es wäre eine gute Idee. Sie sagte, sie hätte dich gefragt und du wärst einverstanden.» Er steht da wie ein begossener Pudel, weiß nicht, wohin mit seinen Armen, also lässt er sie traurig herunterhängen. Einerseits tut er mir leid, andererseits möchte ich ihn nicht mal in der Nähe haben, wenn Roni weit weg ist.
James und ich wechseln einen Blick. Christoph schaut zu Boden. Wie ein Kind am ersten Schultag. In einer fremden Klasse. Ohne Eltern.
«Wenn ich störe, kann ich auch wieder gehen.» Er wendet sich um, zieht den Autoschlüssel aus der Jackentasche, versucht ein Lächeln. Es misslingt.
«Ich will dir nicht deinen Junggesellenabend verderben.»
Jetzt könnte ich ihm alles heimzahlen. Christoph hat hier nichts verloren. Ich spüre, dass alle Augen auf mich gerichtet sind. Außer denen von Carsten. Der geht auf Christoph zu und legt den Arm um ihn.
«Jetz’ mach dir mal kein’ Kopp und komm erst mal rein. Der Butzi hat noch nie jemanden rausgeschmissen, der mit ihm feiern wollte. Stimmt’s?»
Ich nicke und versuche auch ein Lächeln. Misslingt ebenfalls.
Christoph bekommt seinen Begrüßungsschnaps und hält mir das Glas hin. Wir stoßen «auf neue Beziehungen» an, und ich stelle ihn meinen Kumpels vor, die alle so tun, als hätten sie noch nie von ihm gehört.
Die Musik wird wieder aufgedreht. Wir benehmen uns, wie Männer es tun, wenn keine Frauen dabei sind. Mike spielt «tausend Stecknadeln» mit Urs, greift seinen Arm mit beiden Händen und dreht die Haut gegeneinander, bis Urs quiekt. Im Gegenzug spielt Urs mit ihm «Armstützel anmessen», dasselbe auf Bayerisch. Ich bin froh, mal nicht an die Hochzeit denken zu müssen. Jetzt gibt es Wichtigeres: Kartoffeln-mit-einer-Hand-Zerquetschen (gelingt nur Urs), Armdrücken (Urs besiegt Mike im Finale), Catwalk (Extrakategorie, in der Cousin Mike überraschend gegen James gewinnt).
Christoph wird überall Letzter. Selbst der Alkohol kann ihn nicht so recht aufheitern. Er scheint in Gedanken ganz woanders zu sein. Irgendwie tut er mir plötzlich leid. Ich nehme James beiseite.
«Warum hast du denn deinen Spezl beim Zoll schon angerufen? Ich wollte doch nochmal drüber schlafen.»
«Waschtl, I didn’t call him. Das ist eine Zufall. Shit happens.»
«Kann man da denn nichts mehr machen?»
«Hey, du wolltest, dass ich lasse verhaften seine Kollektion. Jetzt hast du es. Be a man.»
Er hat ja recht. Mein Konkurrent liegt am Boden; es wird Zeit zu feiern.
«Kommt eigentlich noch eine Stripperin?», frage ich. Schließlich gehört die ja zu jedem Junggesellenabschied.
Cousin Mike lässt sich neben mir in den Sessel fallen und schenkt Wodka nach. «Neenee, mein Lieber. So ’nen Proletenkram machen wir nicht. Ich weiß doch, was du für Probleme mit den ganzen Sachen bei uns auf dem Land hast. Wir grillen und chillen und lassen es ganz gemütlich angehen – wie zivilisierte Großstädter.»
Nunjas Freund Jan kommt dazu. Mit dem Joint zwischen den Zähnen verkündet er: «Das wird ein Kumpelwochenende mit Niveau.»
«Und ich dachte schon, ich müsste mit einem Bauchladen durch Dumbling laufen und irgendwas verkaufen.»
«Hör mal, wir sind doch alle eher intellektuell. Keine Spielchen.»
Als der Morgen graut, sind meine Freunde in den Sesseln und auf den Sofas eingeschlafen. Ich lasse den Blick über sie schweifen. Berlin fehlt.
WOASSA KONIGLHOS
(hochdeutsch: White Rabbit)
Ich träume von einer Striptease-Show. Die Tänzerin ist Roni, sie holt mich auf die Bühne, zieht mich langsam aus, erst den Pulli, dann das T-Shirt, dann die Hose. Im Publikum sitzen Christoph und Jochen. Sie schauen amüsiert zu. Roni hält eine Reitgerte in der Hand, mit der sie mir über die Stirn fährt. Das kratzt ein bisschen, aber ich lasse es zu, Christoph kann ruhig mal mitkriegen, was für ein erfülltes Liebesleben wir haben. Doch er diskutiert anscheinend lieber mit Jochen. «Siehst du, es gefällt ihm»,
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