Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
er die Hochzeitsscheibe. Als Erstes schaue ich Roni an. Keine Einschusslöcher, ein Glück. Inmitten des Zielkreuzes ist das kleine Loch, das Christoph hineingeschossen hat.
«Da Waschtl hod genau in des Loch vom Christoph einigschossn», verkündet Urs. «Wie da Hoodrobin. Ea deaf die Roni heirodn. Wenn jemand Einwände hod, so soi er jetz redn, dann sorg i dafia, des ea fia imma schweigt.»
Alle schütteln eifrig den Kopf. Christoph reißt ein wenig die Augen auf, murmelt aber bloß wirres Zeug.
Urs überreicht mir die Hochzeitsscheibe.
«So, jetzat wird gschwumma.»
Die Sonne scheint, ich bin angetrunken genug, dass es mich nicht stört, in einem überdimensionalen grünen Stringtanga mit einer Horde betrunkener Kumpels über die Kuhwiesen zum Dumblinger See zu marschieren. Nicht einmal die Kühe stören mich. Schließlich komme ich selbst vom Land und weiß, dass die nichts tun. Carsten und Jochen gehen voran, die Köpfe gesenkt, als suchten sie Grashüpfer. Urs hat sein T-Shirt ausgezogen, und Mike ist mit James ins Gespräch vertieft.
Da bleiben Jochen und Carsten plötzlich stehen. «Das sind doch …», meint Jochen.
«Jep», sagt Carsten. «Spitzkegelige Kahlköpfe.»
James kommt dazu und grinst. «Magic Mushrooms.»
Die drei stehen um einen Kuhfladen, aus dem ein paar kleine glatte Pilze mit dünnem Stiel und konisch zulaufenden Kappen wachsen.
«Alter, bei uns in Berlin zahlst du da echt ’ne Menge Geld für», sagt Jochen und beginnt zu ernten. Urs geht ihm zur Hand.
«Mei, narrische Schwammerln.»
«Wir müssen die aber erst trocknen», meint Carsten.
«Oder wir können machen eine Pizza Funghi à la surprise», schlägt James vor.
«So a Schmarrn. Zum Schwammerl gheat a Wammerl.»
«Bei uns in Tiefenwalde schmoren wir sie nur mit ein bisschen Speck in der Pfanne. Dazu gibt’s Bratkartoffeln», erzählt Mike und leckt sich über die Lippen. Er wendet sich an Christoph.
«Und bei euch in Tibet?»
Christoph seufzt. «Nepal. Da nutzen Schamanen seit Jahrtausenden Zauberpilze für ihre Rituale. Aber für mich ist das nichts. War einer von euch mal in Pokhara?»
Aber da sind alle schon längst ausgeschwärmt, um die Wiese abzuernten. Als wir einen beträchtlichen Vorrat gesammelt haben, ziehen wir weiter.
Der Dumblinger See ist strahlend blau. Aus seiner Mitte schießt eine Fontäne in den Himmel. Der Anblick erinnert mich an den Stausee in Tiefenwalde.
«Gott, ist das kitschig hier», meint Jochen.
«Naa», korrigiert Urs. «Schee is des.»
Wahrscheinlich sollte ich angemessen ausgelacht werden, während ich mit dem peinlichen Badeanzug in den See steige, aber jetzt ist allen so heiß geworden, dass wir die letzten Meter zum Weiher um die Wette rennen. Bevor ich michs versehe, haben die anderen ihre Klamotten ausgezogen und sich nackt in den Weiher gestürzt. Nur Christoph bleibt am Ufer. Soll er doch.
Wir verbringen den ganzen Tag mit Kopfsprüngen und Biertrinken, fühlen uns frei von allen Sorgen. Christoph hat sich etwas abseits in den Lotussitz gesetzt und meditiert. Ab und an versuchen Jan oder Carsten, ihm ein Bier in die Hand zu drücken, aber Christoph lehnt ab.
Am Nachmittag kriegen wir Hunger und gehen zurück. In Dumbling kaufen wir Wammerl, Kartoffeln, Bier und noch ein paar andere Pilze, denn Urs will «ganz a scheene Schwammerl-Pfanne» machen.
Derweil schießen wir mit Jochens Luftgewehr auf Bierdosen. Carsten ist ein ziemlich guter Schütze, aber gegen Christoph hat er keine Chance. Der kann ansatzlos aus der Hüfte schießen und trifft dabei auch noch. Wie ein Cowboy steht er da, das Luftgewehr lehnt neben ihm an der Schuppenwand. Dann klatscht einer in die Hände, Christoph greift sich das Gewehr, schießt – und trifft. Kein Wunder, so nüchtern, wie der ist!
Am Abend wollen wir nach Lodering fahren, den nächsten größeren Ort. Aber erst mal wird gegessen. Die Rahmschwammerln schmecken vorzüglich, trotzdem halte ich mich zurück. Ich bin halluzinogenen Drogen gegenüber stets misstrauisch gewesen, denn ich verliere ungern die Kontrolle über meinen Körper. Christoph geht es anscheinend ähnlich, sein Teller bleibt leer.
Die anderen dagegen hauen rein. Besonders Jochen ist unersättlich. Er meint, er habe in den letzten Tagen nur gearbeitet und kaum gegessen. Dies sei seine erste anständige Mahlzeit. Als ich ihn auf die Nebenwirkungen hinweise, meint er, er habe in den letzten Tagen auch nicht gefeiert und dies hier sei –
Schon verstanden.
Zum Essen
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