Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
schließt mich los. Jetzt erkenne ich hinter den Polizisten auch Jochen, Urs, Mike und die anderen. Sie lachen und klatschen. Hias führt mich am Arm nach draußen. Jemand hat das Licht angemacht. Die Party im Geilo ist zu Ende. Es sieht kalt und dreckig aus. Die meisten Gäste sind gegangen oder von der Polizei gegangen worden. Ich würde auch gern nach Hause. Die Polizei nimmt hier und da Personalien auf, ein paar betrunkene Mädchen weinen, dass ihnen die Mascara über die Wangen läuft, ein paar Jungs sind zu betrunken, um noch allein zu gehen. Jan, den die Polizei gewaltsam von seinem Teenie befreien musste, ist jetzt total aufgekratzt und will unbedingt noch irgendwohin. Aber die Mehrheit von uns hat genug erlebt und will ins Bett.
Draußen an der frischen Luft erteilt uns Hias eine zweite Verwarnung. «So, Buam. Jetzat mochts oba Schluss fia heit, ge? I wui aich koa dritte Verwarnung gem.»
Wir nicken. Das Taxi kommt. Diesmal fahre ich bei Christoph mit, denn der ist erstens noch nüchtern und wird mich zweitens nicht mit irgendwelchen Spielchen überraschen.
Der kleine BMW ist schneller als das Großraumtaxi. Christoph und ich schweigen. Das tut ganz gut. Christoph sieht deprimiert aus. Klar, er ist der Einzige, der sich heute Abend nicht amüsiert hat. Ich räuspere mich.
«Das kriegen wir schon wieder hin.»
Er schnaubt abfällig durch die Nase. Schon verstanden. Ich beschließe, von jetzt an den Mund zu halten. Nach zehn Minuten biegen wir in den Feldweg ein, der zu Urs’ Haus führt.
«Jetzt mal im Ernst, Christoph. Ich weiß noch nicht, wie, aber das wird schon wieder werden.»
Er schaut weiter geradeaus. «Es war ein Traum. Mein ganzes Leben war ein Traum. Den Menschen zu helfen …», er schüttelt den Kopf, «mit toller Kleidung. Ein Traum. Das kannst du nicht verstehen. Schau dich an!» Er blickt zornig zu mir herüber. «Bei dir läuft immer alles toll: toller Job, tolle Frau, tolle –»
«Christoph! Vorsicht!»
Mit voller Wucht kracht der Wagen gegen ein riesiges schwarzes Etwas. Ein monströses Brüllen, Airbags knallen uns von allen Seiten entgegen, ein schwerer Körper wird auf die Windschutzscheibe geschleudert, sie splittert. Die Reifen blockieren, Christoph flucht, kurbelt wild am Lenkrad, der Wagen dreht sich um die eigene Achse, wir werden hin und her geschüttelt. Mein Kopf knallt gegen den Gurthalter, alles dreht sich. Schließlich kommen wir auf dem Feld zum Stehen. Der Wagen gibt noch einen langen kaputten Seufzer von sich. Danach herrscht Stille.
Adrenalin schießt durch meine Adern. Mein Herz rast. Ich fühle in meine Glieder hinein. Nichts gebrochen. Christoph?
Er hat die Augen weit aufgerissen. Seine Lippen beben, Speichel rinnt ihm aus dem Mund. «Nicht das auch noch, nicht das auch noch, bitte bitte nicht», brabbelt er. Die Windschutzscheibe sieht aus wie ein Spinnennetz.
Ich stoße die Tür auf, komme auf die Beine, etwas wackelig zwar, aber ich kann laufen. Mit einer Hand stütze ich mich auf die völlig zerdrückte Motorhaube, schleppe mich zur Fahrerseite und reiße die Tür auf.
Christoph hockt wie angewurzelt im Sitz. Er zittert am ganzen Körper. Ich schnalle ihn ab und helfe ihm aus dem Auto. Er kann stehen. Obwohl er nicht dreckig ist, klopfe ich ihn ab.
«Was …? Wogegen …?», fragt er. Ich schaue mich um. Kein Baum weit und breit. Zehn Meter neben uns liegt ein massiges, zuckendes schwarzes Wesen. Christoph lässt sich auf den Boden sinken.
«Ogottogottogottogott», murmelt er. Vorsichtig gehe ich auf den großen Körper zu. Je näher ich komme, umso mehr kann ich erkennen: Schwarze Flecken, weiße Flecken, schwarze – wir haben eine Kuh überfahren! Das arme Tier gibt ein letztes Röcheln von sich, tritt noch einmal mit den Hufen und streckt sich durch. Der Kopf fällt auf die Seite und bleibt reglos liegen. Immerhin musste sie nicht lange leiden.
Ich laufe zu Christoph. «Wir haben Glück gehabt», rufe ich. «Es war nur eine Kuh!»
Es ist, als würde ein Blitz durch seinen Körper fahren. Er hört auf «Ogottogottogottogott» zu murmeln, schließt die Augen, dreht den Kopf von links nach rechts und flüstert irgendwelche fremdartigen Wörter, die ich nicht verstehe. Sie klingen indisch.
«Christoph!», rufe ich und rüttele ihn. Er schlägt die Augen auf und schaut ins Leere.
« Nur eine Kuh? Etwas Schlimmeres konnte nicht passieren! Das bringt tausend Jahre Unglück.»
«Aber nur in Tibet.»
«Nepal!»
Ich trete vorsichtshalber einen
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