Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
klatschen. Einer nach dem anderen kommt zu mir und gratuliert. Danach gehen uns die Gesprächsthemen aus. Macht aber nichts. Da Rocker eher Männer der Tat sind als der Worte, ziehen sie sich an ihren Tisch zurück, und ich gehe wieder zu meinen Freunden. James drückt mir einen Mai Thai in die Hand.
«Normally, I don’t like Strip-Bars, aber deine Performance war special!»
Wir klatschen ab.
Plötzlich stehen die sechs Flanellhemden direkt vor mir. Anscheinend haben die Eiswürfel ihr Spiel durcheinandergebracht. Sie haben sie wieder aufgesammelt. Der Größte von ihnen streckt den Arm aus und kippt mir den Becher über den Kopf. «Hier ist dein Eisbecher», presst er heraus. «Du Schwuchtel.»
James macht einen Schritt nach vorn, aber Jochen hält ihn zurück. Ich klaube mir die Eiswürfel aus dem Kragen und überlege gerade, wie ich am schnellsten die Rocker alarmieren kann, da baut mein Trauzeuge sich vor dem Oberflanellhemd auf. Oje – den Blick kenne ich. Wenn Jochen so schaut, geht meistens etwas kaputt.
Die Rocker sind offenbar gerade ins Gespräch vertieft. Na ja, wenn es hier eine Schlägerei gibt, habe ich wohl die beste Rückendeckung, die ich mir wünschen kann.
Die Flanellhemdenträger stellen sich in Position. Der eine haut die rechte Faust klatschend in die geöffnete Linke. Jochen beugt sich vor und flüstert ihm etwas ins Ohr. Dabei deutet er auf jeden Einzelnen von uns. Das Oberflanellhemd nickt. Sein Körper hat jetzt deutlich an Spannung verloren. Wie ein Schuljunge nach einer Standpauke macht er auf dem Absatz kehrt und nimmt die anderen Hemden mit.
«Was hast du denen denn gesagt?», will ich von Jochen wissen.
«Nur ’ne kleine Info.»
Inzwischen ist der Chefrocker rübergekommen; er fragt, ob alles okay sei. Ich nicke. Dann empfiehlt er uns, den Laden demnächst zu verlassen, einer von den Flanellhemden habe gute Kontakte zum Polizeipräsidenten und «do gibt’s schnei a Razzia». Er schaut uns ernst an. «Do hauts liaba ob, ge?»
Man soll ja gehen, wenn es am schönsten ist. Außerdem wollen wir auch den prinzipientreuen Jan nicht so lange draußen warten lassen. Zum Abschied winke ich den Rockern nochmal zu. Sie grüßen lässig mit zwei Fingern zurück, wie es Motorradfahrer eben so machen.
Für James ist das Ganze wohl ein bisschen viel gewesen. Draußen vor der Tür muss er sich erst einmal setzen. Carsten legt den Arm um ihn und redet tröstend auf ihn ein. Dann gibt er ihm etwas, was James sich in den Mund steckt.
«Was war denn das jetzt?», will ich wissen.
«Ich habe ihm ein paar Pilze gegeben, damit er ein bisschen aus sich rauskommt. Denn jetzt wird getanzt!» Sicherheitshalber esse ich auch noch zwei, drei Pilze. Man kann nie locker genug sein.
Nachdem Urs ein paar Worte mit den Türstehern gewechselt hat, kommt unsere Herrentruppe ohne Probleme ins «Geilo».
«Das ist hier ja wie in Bielefeld!», freut sich Carsten, der natürlich alle Discotheken im Umkreis von Tiefenwalde kennt. Alle beide. Er und Mike finden sofort in den Beat. Bei James scheinen die Pilze zu wirken, denn er zeigt auf der Tanzfläche ein paar Bewegungen, auf die in fundamentalistischen Staaten die Todesstrafe steht. Jan dagegen wird von einer jungen blonden Frau massiv angetanzt. Bin gespannt, wie er das mit seinem Keuschheitsgelübde vereinbaren kann.
Der DJ spielt Hits, zu denen wir in unserer Jugend nicht tanzen wollten, weil wir uns zu erwachsen dafür fühlten. Jetzt, da wir uns jung fühlen wollen, kommen sie gerade richtig: «What is love?» von Haddaway, «Hello Africa» von Dr. Alban, aber natürlich auch Evergreens wie «La isla bonita» oder das etwas neuere «From zero to hero».
Seltsamerweise stachelt mich gerade dieser Hit in seiner Banalität so dermaßen auf, dass ich mir am liebsten auf der Tanzfläche die Klamotten vom Leib reißen würde. Vielleicht liegt das an meinem verschleppten Striptease-Trauma. Ich habe Menschen immer belächelt, die sich zu so was hinreißen lassen. Aber seit ich in München wohne, versuche ich mit meinen Vorurteilen aufzuräumen. Der nächste Hit: «Insomnia» von Faithless. Schlaflosigkeit. Das Stück fand ich immer irgendwie gut. Jetzt, auf Pilzen, erst recht. Dieses lange hypnotische Intro. Ich fange an, mich zu dem Beat zu bewegen. Er ist schlicht, ein satter hoher Ton, ein satter tiefer Ton, hoher Ton, tiefer Ton, keine Melodie, nur Treibenlassen. Dann setzt die Stimme des Sängers ein, dunkel, hypnotisch, er besingt die Nacht, einen
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