Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Mutter ihn angerufen?»
«Jo.»
«Und was hat sie gesagt?»
«Wos von guaden und schlechdn Zeitn, i woaß ned, wennst moagn oarufst, koast se seiba frogn. Sie kimmt in da Friah mim Fliager in Dallas o.»
Als ich Knoll mal auf seine Wortkargheit angesprochen habe, meinte er, am besten erledigten sich die Dinge, wenn man ruhig bleibe und ihnen ihren Lauf lasse. Recht hat er.
«Äh, kann ich mal meinen Vater sprechen?»
«Naa, an Schorschi hob i zum Friseur obigschickt. Is sonst no was?»
«Nein, Knoll. Sonst ist nichts.»
«Habe die Ehre.»
«Ja, ich auch, danke.»
Am Wochenende vor Christophs Show knöpfen wir uns Wallis «location» vor: eine stillgelegte Glühbirnenfabrik zwischen München und Pullach, die einmal ihrem Erbgroßonkel gehörte. Sie erinnert mich an die Industrieruinen hinter dem Berliner Ostkreuz: Ziegelmauern, eingeschlagene Fenster, verrammelte Türen. Drinnen sieht es aus wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Der Raum ist zwanzig Meter hoch, an der Decke ziehen sich metallene Rohre entlang, am Boden verstauben Fließbänder. Perfekt! Die Birnen, die überall herumliegen, nutzen wir als Deko, die stillgelegten Fließbänder als Laufstege. Den Rest belassen wir rustikal.
Als der Wirt vom Trachtlerhof mit uns das Menü für die Hochzeitsliste durchgehen will, verschieben wir die Angelegenheit um eine Woche. Erst die eine Show, dann die andere.
Christoph ist voll in seinem Element: Er wischt hier Staub, hängt dort schwarzen Filz über einen Flecken, stellt die Stühle an die Fließbänder, koordiniert die vielen Helfer und gibt selbst dem Journalisten vom Anzeigenblättchen bereitwillig Auskunft. Am Ende haben 400 Gäste ihr Kommen zugesagt, davon 150 Redakteure und Reporter. So viele Kollegen kenne ich gar nicht. Die Lokalsender reißen sich um die Vorberichterstattung, und auch ein paar Promimagazine haben schon hinter die Kulissen geschaut. Vor lauter Medienrummel sind wir noch gar nicht dazu gekommen, für den Laufsteg zu üben. Roni macht sich Sorgen, den Auftritt zu vermasseln, denn: «Nur schlechte Leute gehen immer gut.»
Am Abend vor der großen Show soll die Generalprobe stattfinden. Wird auch höchste Zeit! Schließlich sind wir seit unserem Catwalk-Contest auf dem Junggesellenabend nicht mehr gelaufen. Mike und Carsten sind eigens aus Tiefenwalde angereist. Jochen hat seinem Chef gesagt, er sei auf einer «Kreativ-Konferenz» in Berlin, Urs’ Pflanzen wachsen von allein, und Ronis Freundinnen haben sich frei genommen. Nur Stripper Riko hat seinen Auftritt in der Glühbirnenfabrik abgesagt – wegen Lampenfieber.
Am Abend der Generalprobe stehen wir mit Sack und Pack vor der Halle. Drinnen läuft schon die Musik. Ich klopfe. Keine Reaktion. Ich klopfe erneut, diesmal lauter. Ein Typ im taillierten Rentierpulli öffnet. «Geschlossene Veranstaltung, sorry», sagt er und will uns die Tür vor der Nase zuschlagen. Aber ich stelle meinen Fuß in die Lücke.
«Das muss ein Missverständnis sein. Wir sind die Models.»
«So?» Der Typ mustert uns von oben bis unten, verdreht die Augen und ruft über seine Schulter: «Chris! Kommst du mal, bitte?»
Urs drückt den Schmalbrüstigen zur Seite und die Tür auf. Über die Laufbänder stolzieren magere Mädchen und schlaksige Typen, die allesamt professionell krank aussehen. Mir fehlen die Worte.
Christoph kommt auf uns zu. «Oh, ihr! Hi! Ja, schön, dass ihr da seid. Etwas früh, was? Die Show geht doch erst morgen los.»
«Aber wir sollten doch modeln!»
«Sorry», sagt Christoph. «Ich bin ja echt dankbar für eure Hilfe, aber ich hatte im Vorfeld so viel Presse, da kann ich jetzt keine Laien auf den Laufsteg lassen. Wenn einer von euch hinfällt, kippt die ganze Show.»
«Genau, Chris», schleimt sein Adlatus.
«Dem is da Ruhm zum Kopf naufi stiagn», findet Urs und wendet sich zum Gehen. «Zerscht fressens oam aus da Hand. Hamms gfressn, beißens.»
Doch so leicht gebe ich nicht auf. «Ein paar von den Frauen haben schon professionell gemodelt!», wende ich ein.
«Das ist offensichtlich schon länger her», meint der Lakai.
Mit Mühe und Not kann ich Nunja davon abhalten, ihm den Rollkragen über den Kopf zu ziehen. Roni tritt vor.
«Und das Brautkleid?»
«Ach, Baby, versteh doch …» Christoph will ihre Hand nehmen. Aber Roni zieht sie weg.
«Bye-bye», sagt der Lakai und macht die Tür zu.
Zwei Tage später ist Chris Nepal berühmt. «Der neue Stern des Südens» nennt ihn ein Boulevardblatt, «Phäno-Nepal!»
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