Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
dichtet ein anderes. Auf den stummen Verkäufern kleben Titelseiten mit Models, die so ausgemergelt aussehen wie Gletscherleichen. Am späten Nachmittag zaubern die Fernsehmagazine noch einige Schätzchen aus der Metaphernkiste: «Mia san Mount Everest!» oder «Christall aus Nepal» dudelt es. Christoph soll seine Kollektion demnächst in London, Paris und New York vorstellen. Von mir aus kann er sie auch noch in Kabul, Teheran und Beirut präsentieren. Roni meint, er fliege nun eh von «Pontius nach Pilates».
Nunja hat sich so viel Material wie möglich von der Modenschau besorgt und will Ronis Hochzeitskleid nachschneidern, weil sie nicht einsieht, dass ihre beste Freundin schon wieder unter Christophs Launen leiden soll.
Ein paar Tage später will ich mit meinem Trauzeugen im Isarstüberl auf Christophs Abschied anstoßen. Aber Jochen vertröstet mich telefonisch. Zu Christophs Verschwinden meint er nur: «Der kommt schon wieder.» Leider habe ich auch das Gefühl.
Aber jetzt wollen wir uns endlich auf die wirklich wichtige Show konzentrieren: unsere Hochzeit. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich das größte Ereignis in meinem und Ronis Leben in der letzten Zeit ziemlich vernachlässigt habe. Es ist bereits Anfang September, und wir müssen noch die Blumendeko absprechen, das Menü aussuchen, Jochen davon überzeugen, dass er den DJ gibt, meinen Hochzeitsanzug besorgen, die Traurede mit dem seltsamen Priester abstimmen und uns beim Standesamt Dumbling vorstellen. Als größte Herausforderung aber entpuppt sich der Transport meiner lieben Verwandten aus Tiefenwalde. Denn die können sich nicht einigen, ob sie mit zwanzig Autos oder zwei Bussen fahren, ein Hotel komplett oder hundert Zimmer in verschiedenen Pensionen anmieten wollen.
Eigentlich ist das ja der Job des Trauzeugen. Weil der aber keine Zeit findet, hat er das Projekt an seine organisationsfreudige Assistentin und Geliebte delegiert. Die hat umgehend eine saubere Tabelle erstellt. Von den dreihundert Leuten, die wir auf der Liste hatten, haben dreihundertfünfzig zugesagt. Viele haben einfach beschlossen, noch einen Freund oder eine Freundin mitzubringen.
Leider enthält die Tabelle auch eine Spalte, die mit dem Wort «Problem» überschrieben ist. Dort steht: Oma will nicht bei Cousin Mike mitfahren, weil der so rast, Großcousine Anja aus Sylt (von der ich noch nie gehört habe) würde irrsinnig gern kommen, kann aber nicht verbindlich zusagen, weil sie nicht weiß, wohin mit ihrem neugeborenen Baby. Cousine Lea bittet uns, die Hochzeit zu verschieben, weil sie fürs Abi lernen muss, und Tante Ingrid kommt nur, wenn ihr Bruder, also mein Onkel Fritz, nicht kommt. In der Rubrik «Übernachtung» haben die meisten meiner Verwandten angeben: «beim Brautpaar». Gut zu wissen, dass meine Familie mir auch in der Hochzeitsnacht beistehen möchte.
A FUCHZGER IS A FUCHZGER
(hochdeutsch: Es ist, wie es ist)
Wir stehen am Franz-Josef-Strauß-Flughafen und warten auf unsere Eltern. Regina hat uns gebeten, Wasser, Folie und Blumenspritzen mitzubringen. Keine Ahnung, wofür. Roni und ich drücken unsere Gesichter gegen die Glasscheibe, hinter der die Passagiere durch die Passkontrolle strömen. Familien, Geschäftsreisende, Mädchen-und Jungsgruppen trudeln in der Gepäckausgabe ein. Sogar ein paar Mexikaner sind darunter, mit riesigen Sombreros, buntgestreiften Ponchos und hawaiianischen Blumenketten, die überhaupt nicht dazu passen. Sie stehen unruhig neben dem Gepäckband. Warten wahrscheinlich auf ihre Gitarrenkoffer. Olé. Nur, wo sind unsere Eltern?
Die Mexikaner schauen suchend zur Glasscheibe. Einer von ihnen klappt die Hutkrempe hoch. Er sieht aus wie mein Vater, nur mit Schnurrbart. Nein, das ist mein Vater. Mit Schnurrbart. Ich winke wild mit den Armen. Aber er nickt nur zerstreut und dreht sich wieder zum Band, auf dem jetzt die Koffer angezuckelt kommen.
Kurz darauf betreten meine Mutter, mein Vater und Regina die Ankunftshalle. Knoll scherzt noch mit einem der Zollbeamten, dann bummelt er gemütlich hinter den anderen her. Ich will meine Eltern umarmen, aber die schütteln abwehrend die Köpfe. Die Haltung meines Vaters ist so angespannt, dass die Sehnen an seinen Handrücken hervortreten. «Bloß raus hier», zischt er. Meine Mutter blinzelt nervös. Oje, hoffentlich haben die sich nicht total zerstritten.
Schweigend gehen wir nach draußen zum Parkplatz. Endlich legt Regina den Arm um Roni.
«Ohne Mutti geht’s eben doch noch
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