Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
nicht, was?»
Ich schaue meine Mutter an, sie lächelt siegreich. Knoll lüftet seinen Poncho. Darunter sieht es aus wie im Dschungel: Blüten, Gräser und Zweigchen stecken in vielen kleinen Innentaschen. «Wia da blede Farn kitzeln duad!» Er zieht ein langes grünes Blatt unter seiner Achsel hervor.
«Erst mal die Setzlinge!» Regina nimmt jedem behutsam die Blumenketten ab, besprüht sie mit Wasser und legt sie auf die Folien.
Jetzt lüften auch die anderen Schmuggler ihre Tarnkleidung. Mein Vater trägt eine Schlingpflanze um den Körper, Saatgut rieselt ihm aus der Hose. Regina hat sich weitere Setzlinge auf den Rücken geklebt, und meine Mutter verbirgt eine mexikanische Wunderblume samt Topf unter ihrem Poncho. «Für den Wettbewerb», erklärt sie. «Solche Pflanzen bekommst du bei uns gar nicht.»
Mit Sack und Pack fahren wir nach Dumbling und verwandeln das Haus generalstabsmäßig in unser Hochzeitshauptquartier. Unsere Mütter verteilen die Aufgaben: Regina, die als Köchin im Trachtlerhof arbeitet, will sich um das Menü kümmern, Knoll um den Wein. Sie will auch die Traurede des Pfarrers besorgen, ich werde sie lesen. Die Hochzeitsfotos, entscheiden wir, soll ein Kollege von der Zeitung machen. Und zu guter Letzt will Roni mit Nunja ins schwäbische Metzingen fahren, um im Outlet-Center ein Designer-Schnäppchen zu ergattern. Dass Nunja ihr Kleid nähen will, findet sie lieb, aber in der kurzen Zeit völlig utopisch.
Ich wollte ja eigentlich mit Jochen meinen Anzug kaufen gehen, aber der ist nicht zu erreichen. Bea sagt, er sei in einem sogenannten Kreativbunker in Oberbayern, um die Markenführung einer großen deutschen Bank neu aufzustellen. Dabei dürfe er auf keinen Fall gestört werden. Denn «wenn Jochen den Job gut macht», sie senkt die Stimme zu einem Flüstern, «wird er CD».
Das ist ja toll, dann kann er sich auf meiner Hochzeit selbst auflegen.
Wie es die gute deutsche Hochzeitstradition verlangt, wollen wir im engsten Familienkreis standesamtlich heiraten und danach im großen Kreis in der Kirche.
«Apropos, die Rede vom Priester würde ich gern vorher lesen», bemerke ich zum hunderttausendsten Mal.
«Darum kümmere ich mich», behauptet Regina. «Ich kenne seine Schwachstelle.»
«Sonst noch offene Fragen?», will mein Vater wissen.
Offenbar hat er während der Vertragsverhandlungen mit den Mexikanern sein Selbstwertgefühl wiedergefunden.
«Nun ja», druckse ich. «Wir wollten euch bitten, uns das Geld für die Hochzeit zu leihen.»
Mein Vater räuspert sich. Vielleicht hätte ich doch fragen sollen, bevor er die Tarifverhandlungen in Amerika beendet hat. Knoll runzelt die Stirn.
«Wieso soin mia des zoin?»
«Na ja, wir zahlen es ja zurück.»
«Ah geh! In Bayern gibt’s a Kostgeld. Do zoit jeder an Fuchzga. Und a Fuchzga is a Fuchzga.»
«Aber meine Verwandtschaft kommt aus Nordrhein-Westfalen. Die kennen sich nicht mit bayerischen Bräuchen aus.»
«Do warn s’ jo ned die eastn, die wo’s glernt hom.»
Darauf stoßen wir an. Mein Vater sieht meiner Mutter lang in die Augen, aber die senkt den Blick.
Später am Abend erwische ich ihn allein und frage ihn, wie es denn so läuft. «Mal schauen», meint er. «Jetzt wollen wir erst mal dich unter die Haube kriegen.»
Ich staune ihn an. Seine Sorgenfalte ist so gut wie verschwunden. Dafür hat er helle Lachfältchen an den Augen bekommen, wie sie nur glückliche Menschen haben, die abseits der Zivilisation leben. Er erzählt mir, dass sich meine Mutter nach der Hochzeit mit dem Golflehrer treffen will, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. Und er selbst will die Beratungsstelle endgültig dichtmachen.
«Und Radio Pepe?»
«Bleibt on Air. Mit mehr Musik. Vielleicht ein bisschen mehr Salsa!» Er lässt die Hüften kreisen. «Deine Mutter will reisen. Und ich will deine Mutter. Alles andere wird sich irgendwie ergeben.»
«Meinst du, sie liebt den Golflehrer?»
«Er hat jedenfalls keine Postkarte bekommen.»
MITANAND
(hochdeutsch: In einer sich gegenseitig unentgeltlich unterstützenden Gemeinschaft)
Jochens Assistentin Bea ist jetzt auch Ronis Assistentin – oder besser: Wedding-Planerin. Sie hat sich offenbar derart für Jochens Abtauchen geschämt, dass sie sich jetzt statt seiner der Sache angenommen hat. Zuerst hat sie alle Fakten sortiert, einen Business-Plan erstellt und alle meine dreihundertfünfzig Verwandten angerufen, um ihnen den bayerischen Brauch des Kostgelds zu erklären. Jetzt kommen
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