Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Flohmärkten für ihr Verhandlungsgeschick gefürchtet. Sie räumt das Haus, in dem sie mit Knoll wohnt, so oft um, dass man sich nie sicher sein kann, ob man wirklich schon mal dort war. Vor kurzem wurde ihr liebevoll verwilderter Garten zum «schönsten Garten im Kreis Dumbling» gekürt. In der Zeitung stand sogar, sie habe dort Blumen, die in Europa eigentlich ausgestorben sind. Jetzt ist ihr Ehrgeiz geweckt. Projekt Nummer zwei ist der Titel «schönster Garten Bayerns». Regina hat angedeutet, Urs gehe ihr ein wenig bei den Vorbereitungen zur Hand; Genaueres wollte sie nicht verraten. Gerade steht sie mit Roni am Küchenfenster und macht so ausladende Gesten, dass man meinen könnte, sie müsse dort die Bundesgartenschau konzipieren.
Am Abend schütten Knoll und ich die letzten Flaschen Räuber Kneißl in seine Einzugsgeschenke, zwei Steingutkrüge mit Dumblinger Wappen und Zinndeckel. Auf dem einen steht Waschtl , auf dem anderen Knoll .
«Wollt ihr denn nicht wissen, was Projekt Nummer eins ist?», fragt Regina.
Ich nehme einen tiefen Schluck aus meinem Krug. Wahrscheinlich will sie bei unserer Hochzeit ordentlich mitmischen, Torten aus Zucker und Sahne backen, Geranien auf die Tische stellen und allen Verwandten mitteilen, dass wir uns Besteck wünschen. Das kann sie vergessen.
«Wir wollen ein Haus bauen. In Texas.»
Ich verschlucke mich, bekomme Räuber Kneißl in die Luftröhre, muss husten. Schaum tropft mir aus der Nase. Roni schaut ihre Mutter entgeistert an und schüttelt den Kopf. Schweigen.
«Oiso», brummt Knoll. «Wos sogts ia?»
Texas: Ölbarone, Karohemden, George Bush, Square Dance und Revolver – am besten sagen wir erst mal gar nichts. Müssen wir auch nicht, denn die beiden erzählen ausführlich von ihren Plänen.
«Af da Veranda sitza, Kolibris oschaugn, a Countrymusi hean und jen Dog an Barbecue», schwärmt Knoll.
Zuvor müssen noch Kakteen aus der Erde gerissen, Äcker umgegraben, Klapperschlangen vertrieben und ein Blockhaus gebaut werden.
«Also, das kommt jetzt ziemlich überraschend», beginnt Roni.
«Ah geh», Knoll wiegelt ab. «Des passt scho.»
Diese bairische Redewendung verstehe ich ausnahmsweise, denn Knoll hat sie mir persönlich beigebracht. «Passt scho» deckt einen Großteil der hochdeutschen Höflichkeits-und Umgangsfloskeln ab. Es bedeutet je nach Tonlage «bitte», «danke», «einverstanden», «hervorragend», «okay» und «keine Widerworte». Deshalb sage ich jetzt sicherheitshalber einfach mal nichts.
SO IS AA WIEDA NED
(hochdeutsch: Der hier vorliegende Sachverhalt gestaltet sich komplexer, als man auf den ersten Blick vielleicht annehmen würde)
Roni hat ihren Sinn für Stil in unseren Haushalt eingebracht und ich mein altes Kinderzimmer. Sie ist in der
Nähe einer Großstadt (München) aufgewachsen, wo es Architekten für innen gibt, ich dagegen komme vom Dorf (Tiefenwalde), wo man seine Möbel selber schreinert und sie über Generationen weitervererbt, bis sie von allein auseinanderfallen. Wer sie vorher aussortieren will, beleidigt die Familie.
Mein Schrank ist jedenfalls ein Spitzen-Hellholzteil mit kaputter Schiebetür und halbherzig abgekratzten Fußballaufklebern von der WM Mexiko 86. Mein Opa hat ihn kurz nach dem Zweiten Weltkrieg selbst gebaut. Das Bett wiederum gehörte vorher meinem Cousin und davor dessen Vater, meinem Onkel Fritz; der wiederum hatte es von meinem Vater, und von wem der es bekam, will ich gar nicht wissen. Wahrscheinlich wurde die Hälfte meiner Familie darin gezeugt. Das würde zumindest den kaputten Lattenrost erklären.
«Das dunkle Bett passt nicht zu deinem hellen Schrank», findet Roni. «Außerdem ist es kaputt.»
«Dann passt es ja doch zu dem Schrank.»
Ich finde, Roni ist nicht objektiv bei der Beurteilung meiner Sachen. Sie behauptet dasselbe von mir. Deshalb beschließen wir, dass sie meine Kisten ausräumen soll und ich ihre. Anschließend macht jeder einen Stapel, und dieser Stapel wird abschließend gewogen, gesichtet und sachlich beurteilt, bevor wir ihn endgültig entsorgen. So kann ich mich weiterhin davor drücken, meine Berliner Kisten auszupacken.
Weil ich Roni liebe, bin ich sehr gnädig mit ihren Sachen. Ich entdecke seltsame Sonnenbrillen, Einmachgläser mit Sand aus dem Urlaub, eine Jacke aus Leopardenfell-Imitat, Bücher vom Marquis de Sade, Mini-Skelette vom mexikanischen Totentag, jede Menge Kassetten mit Musik, die ich heute noch höre, und einen Nepal-Reiseführer.
Dann fällt
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