Jack Fleming 01 - Vampirdetektiv Jack Fleming
ich auch nur das geringste Bedauern oder Mitleid für jemanden empfinde, der mir nach dem Leben trachtete und laut Ihrer eigenen Vermutung Ihnen das Ihrige genommen hat? Ihre Schuldgefühle sind fehl am Platz. Wäre ich an Ihrer Stelle, würde ich auf die Sache nicht mehr Gedanken verschwenden, als es ein Soldat tut, wenn er auf den Feind schießen muss.«
Vor einem halben Leben hatte ich auf den Feind geschossen. Damals hatte es mir ebenso wenig gefallen.
»Früher oder später wäre er getötet worden, denn das war seine Lebensart, und dann wäre es von einer Hand geschehen, deren Besitzer weit weniger Gewissensbisse hätte. Falls es Ihnen irgendein Trost ist, so bin ich mir sicher, dass er nicht mal gemerkt hat, was ihm zugestoßen ist.«
» Was ist wohl das Zauberwort. Was ist aus mir geworden? Ich bin nicht mehr menschlich.«
»Das ist völliger Unsinn, und zu Ihrem eigenen Besten empfehle ich, dass Sie ihn sich so rasch wie möglich aus dem Kopf schlagen. Denken Sie denn wirklich und wahrhaftig, dass die biologischen Veränderungen in Ihnen Sie Ihrer Menschlichkeit beraubt hätten? Sie besitzen immer noch Ihre sterbliche Hülle, Sie haben nach wie vor emotionelle Bedürfnisse. Ich glaube, Sie nehmen eine erfundene Gestalt, die der Vorstellungskraft eines Bühnenmanagers entsprungen ist, einfach viel zu ernst.«
Ich sah ihn überrascht an.
»Nein, ich bin kein Gedankenleser. Aber ich kann Ihren Gedankengängen folgen. Der erfundene Dracula war ein Monster. Er war außerdem ein Vampir. Sie sind nun ebenfalls ein Vampir, ergo sind Sie ein Monster.«
»Und warum glauben Sie, dass ich keins bin? Vielleicht sollte ich rechts ranfahren und den Bengel auf dem Rücksitz erwürgen.«
»Wenn Sie das für nötig halten, bitte sehr. Aber Sie werden es nicht tun.«
Er hatte recht. Ich hatte in meinem Zorn etwas Blödes gesagt.
»Sie fühlen sich schuldig; daher diese mürrische Reaktion. Fühlen Sie sich schuldig, wenn es denn sein muss, aber lassen Sie das Selbstmitleid aus dem Spiel, denn es ist das zerstörerischste aller Gefühle.«
»Wieso sind Sie eigentlich so schlau?«
»Ich lese viel.« Müde ließ er den Kopf hängen. Er sah etwas grün um die Kiemen aus.
»Wollen Sie trotzdem noch weitermachen?«, fragte ich, womit ich die Ermittlung meinte.
»Oh ja, nur nicht gerade sofort.«
Hinter mir hörte ich etwas, und ich sah im Rückspiegel nach unserem Gefangenen. »Er wacht gerade auf«, raunte ich.
Escott nickte und legte den Finger auf die Lippen. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, während Georgie sich auf dem Rücksitz tot stellte.
Ich folgte richtungweisenden Gesten durch mehrere Straßen und blieb in einer Parkverbotszone stehen. Wir wischten unsere Fingerabdrücke im Wageninneren ab, stiegen aus, und Escott hob die Motorhaube an. Während ich mit einiger Unruhe Wache stand, fummelte er kurz an etwas herum. Wir zuckten beide zusammen, als das ohrenbetäubende Plärren der Autohupe durch die Straße gellte. Escott ließ die Haube herunter, wischte mit einem Taschentuch darüber, packte mich am Arm, und dann setzten wir uns rasch um eine Ecke ab.
»Und wozu war das?«, fragte ich im Laufen.
»Keine hundert Fuß von dem Wagen liegt ein Polizeirevier. Sobald die Hupe ihre Aufmerksamkeit erweckt, können sie Georgie zumindest wegen Ruhestörung inhaftieren. Und wenn sie erst einmal Sanderson finden, können sie bei ihren Anklagen noch kreativer werden.«
»Warum wollten Sie Georgie nicht befragen?«
»Er hätte ohnehin nichts Nützliches gewusst. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Paco deshalb mein vorzeitiges Ableben anordnete, weil ich bei meinen Ermittlungen irgendwann unvorsichtig war. Heute stocherte ich bereits an etlichen Stellen herum; davon muss er Wind bekommen haben und erwartet solange weitere Störungen, bis einer von uns beiden aus dem Weg ist.«
»Sie sehen das ja ziemlich gelassen.«
»Aber auch nur deshalb, weil ich im Moment zu starke Kopfschmerzen habe, um mir allzu viele Sorgen um die Zukunft zu machen.«
»Zu Ihrem Büro können Sie jedenfalls nicht zurück; das wird vielleicht überwacht.«
»Ich habe noch andere Orte, an denen ich mich ... äh ... ein wenig aufs Ohr legen kann. Dennoch muss ich mein Büro aufsuchen und einige Unterlagen holen; sie sind zu wichtig, als dass sie dort herumliegen dürfen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich begleiteten. Ich fühle mich ganz und gar nicht wohl.«
»Ist mir recht, aber wenn einige von Pacos Leuten
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