Jack Fleming 02 - Blutjagd
sicher?«
»Sie sprach nie über ihre Vergangenheit.«
»Das sieht ihr gar nicht ähnlich ... Sind Sie sicher? Nun, ich bin ihre Schwester – ihre jüngere Schwester, Jack.«
»Jüngere«, wiederholte ich leise.
»Ich bin zweiundsiebzig, Maureen sechsundsiebzig – hatte sie Ihnen gar nichts gesagt?«
Ihr Blick bereitete mir auf einmal Unbehagen. »Nein, ich fürchte nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie armer junger Mann, Sie müssen ja nach Informationen geradezu hungern. Ich versuche mein Bestes, aber ich hoffe, Sie sind ebenso offen zu mir.«
»Inwiefern?«
»Als ich Ihnen ihr Alter nannte, waren Sie überrascht, aber nicht ungläubig. Sie wissen von ihrem – ihrem ungewöhnlichen Zustand?« Ihr forschender Blick wanderte von mir zu Escott.
Escott räusperte sich. »Sprechen Sie bitte frei heraus über Ihre Schwester. Jack hat mich mit den Tatsachen vertraut gemacht. Mit sämtlichen Tatsachen.«
Sie musterte ihn streng und schürzte die Lippen. »Ihr Akzent – Sie stammen aus England?«
Er nickte einmal.
Gaylens Augen waren heller als die von Maureen. Nun wurden sie fast blassgrau, als sie nachdachte und einen Entschluss fasste. »Wenn es Jack nichts ausmacht ... aber einige meiner Fragen sind vielleicht zu persönlich.«
»Fragen?«, sagte ich. »Nein Charles, bleib hier, das ist in Ordnung. Welche Fragen?«
Sie zögerte und rang mit einem schwierigen Gedanken. Schließlich holte sie tief Luft und sagte: »Wie nahe standen Sie Maureen?«
»Wir liebten uns.«
»Warum haben Sie sich dann getrennt?«
»Glauben Sie mir, das war nicht meine Entscheidung. Sie hinterließ mir eine Nachricht ... darin stand, sie müsse gehen, weil jemand hinter ihr her sei. Sie wollte zurückkommen, wenn es wieder ungefährlich war.«
»Wer war hinter ihr her?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und das war vor fünf Jahren. Gingen Sie noch zur Schule?«
»Nein, ich arbeitete für die ...« Ich verstummte, und wir sahen einander an. Sie machte ein freundliches und besorgtes Gesicht, aber plötzlich kamen mir Zweifel, wie weit ich ihr vertrauen sollte.
Sie erkannte meine Stimmung und beugte sich vor. Eine kleine knochige Hand legte sich leicht und kühl auf meine. »Jack, ich bin nunmehr alt genug, um diese Dinge zu verstehen, und, wie ich hoffe, weise genug, um sie zu akzeptieren. Sie können es mir ruhig sagen. Sie liebten sich ... Waren Sie ein Liebespaar?«
Die Worte blieben mir im Hals stecken, also nickte ich.
Sie lächelte. »Dann freut es mich, dass sie ihr Glück fand. Können Sie mir sagen, warum Sie die Anzeige zurückzogen? Hatten Sie aufgegeben, oder gab es einen anderen Grund?«
»Es war schon so lange her. Wenn ich etwas gehört hätte, auch nur ein einziges Wort von ihr, dann hätte ich ewig gewartet, aber es kam nichts. Ich musste aus New York raus und versuchte mir ein neues Leben aufzubauen, also zog ich hierher.« Ich hielt inne, weil ich aufstehen und auf- und ablaufen wollte. Sie wartete geduldig, bis ich soweit war. »Nun, ich habe neue Menschen getroffen und neue Freunde gewonnen. Ich dachte, dass es an der Zeit sei, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Falls Maureen noch am Leben ist, falls sie mich finden will, hat meine alte Zeitung meine Adresse; man würde sie zu mir schicken.«
»Glaube Sie nicht, dass sie noch am Leben ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Jack, ich muss Ihnen noch eine Frage stellen: Sie waren ein Liebespaar ... hat sie Sie verwandelt?«
Diese Frage wollte ich nicht beantworten, aber mein langes Schweigen war auch eine Antwort.
»Wenn sie das tat ... nun ... es ist in Ordnung. Sie war meine Schwester. Als es mit ihr geschah, liebte ich sie immer noch; sie war anders geworden, aber nicht in irgendeiner Hinsicht, die mir wirklich etwas bedeutet hätte.«
»Ihre ältere Schwester«, gab ich ihr ein Stichwort. Ich wollte das Thema wechseln.
»Ja, es ist wohl kaum fair, wenn ich alle Fragen stelle. Ich sollte Ihnen auch etwas erzählen. Gehen Sie zu dem Tisch und bringen Sie mir das Bild darauf.«
Ich ergriff einen altmodischen Fotoklapprahmen aus leicht matt gewordenem verziertem Silber. Ich gab ihn ihr, und sie öffnete ihn liebevoll.
»Sehen Sie?« Sie lächelte und zeigte auf die beiden verwaschenen und verblichenen Bilder. »Als wir dafür gesessen hatten, war ich erst siebzehn und sehr nervös. Ich fürchtete, dass ich zu sehr zitterte und die Aufnahme ruinierte, aber sie wurde schließlich doch sehr hübsch. Ich bin auf der linken Seite, und das rechts ist
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