Jack Fleming 02 - Blutjagd
ich bin Jack Fleming.«
Die kleine schattenhafte Gestalt in dem dunklen Kleid tat zwei Schritte zurück, drehte sich um und ging wieder langsam in das Zimmer zurück. Ihr Herz und ihre Lungen arbeiteten heftig. Entweder war sie sehr aufgeregt oder sehr krank. Oder beides. Ich trat vor, Escott folgte mir schweigend, nahm mit einer gewandten und automatischen Bewegung seinen Hut ab und stieß mich an, es ihm gleichzutun.
Mit einem Blick erfassten wir ihr einfaches, unpersönliches Zimmer. Das Fenster stand nur einen Spalt weit offen, und in der Luft hing ein kräftiger Geruch nach Seife und Liniment. Aus einem Radio, das auf einem Tisch stand, erklangen krächzend die Tagesnachrichten. Sie humpelte heran, wobei sie sich auf einen Stock stützte, schaltete es ab und ließ sich dann sichtlich erleichtert nieder.
»Ich bin so froh, dass Sie Zeit für ein Gespräch fanden«, sagte sie. »Ich wollte Sie so gerne kennen lernen, und lange Wege fallen mir schwer.« Am Fuß des Bettes stand ein Koffer, und dahinter ein starrer und hässlicher Rollstuhl. Sie bemerkte meinen Blick. »Der ist für meine schlechten Tage. Sie stellen sich immer häufiger ein, besonders bei feuchtem Wetter. Ich habe Arthritis in den Beinen, die mir sehr zu schaffen macht.«
»Miss Dumont, das ist mein Freund Charles Escott.«
Sie streckte eine zerbrechliche gelbe Hand aus. »Wie geht es Ihnen?«
Escott ergriff sie, sagte etwas Höfliches und vollführte dabei jene kleine Verbeugung, mit der nur die Engländer durchkommen, ohne dass sie aufgesetzt wirkt.
Sie freute sich über die Geste und lächelte. »Es freut mich sehr, Sie beide kennen zu lernen, aber Sie müssen mich Gaylen nennen, das tun alle. Ziehen Sie sich diese Sessel näher ans Licht, dann können wir einander besser sehen.«
Wir taten wie geheißen und nahmen Platz. Maureens Augen sahen mich an, aber das dunkle Haar und die Brauen waren verblichen und weiß geworden. Die Kieferknochen waren die gleichen, und es gab hundert andere Ähnlichkeiten, die zu subtil waren, als dass ich sie sogleich hätte benennen können. Ihr Gesicht war zerfurcht, die Haut wirkte aufgedunsen und vom Alter formlos – ein Gesicht, das dem von Maureen ähnlich war und doch wieder nicht. Der Anblick bereitete mir Qualen.
Sie lächelte. »Ich kann kaum glauben, dass Sie hier sind. Ich wagte kaum zu hoffen, dass Sie meine Anzeige sehen würden, besonders nachdem Ihre nicht mehr erschien. Ich befürchtete schon, Sie seien wieder umgezogen.«
Ich erklärte, wie Escott die Anzeige entdeckt hatte.
»Welch ein Glücksfall. Sehen Sie, ich habe Ihre Anzeige erst vor ein paar Tagen entdeckt. Ich lebe so gut wie alleine in Upstate New York und lese nicht oft Zeitung. Meine Haushälterin hatte allerdings einen Stapel für ihre Arbeitspausen, ich bekam eine Ausgabe zu Gesicht, die auf der richtigen Seite aufgeschlagen war, und Maureens Name sprang mir ins Auge. Mir fiel ein, dass sie vor Jahren jemanden namens Jack gekannt hatte, und ich musste mir Gewissheit verschaffen. Ich rief bei der Zeitung an, und dort sagte man mir, dass Sie nach Chicago gezogen seien. Mittlerweile hatte ich einige ihrer Briefe an mich wieder gefunden, und ich erkannte, dass Sie der Richtige waren, also kam ich hierher.«
»Gaylen, wissen Sie, wo sie ist?«
Sie senkte den Kopf. »Es tut mir Leid, es tut mir so schrecklich Leid, Sie enttäuschen zu müssen.«
Etwas presste mir die Eingeweide zusammen. »Ist sie tot?«
»Ich weiß es nicht«, hauchte sie. »Ich habe seit fast fünf Jahren nichts mehr von ihr gehört.«
Der Druck wurde stärker. »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen? Was sagte sie?«
»Ich sah sie nicht, sie rief mich an. Ich weiß nicht woher. Sie sagte, dass sie eine lange Reise unternehmen werde, und dass ich mir keine Sorgen machen sollte, wenn sie eine Zeit lang nicht mehr schriebe.«
Ich schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, konnte ich wieder ruhig und vernünftig sprechen. »Gaylen, erzählen Sie mir die ganze Geschichte, sagen Sie mir alles, was Sie wissen.«
»Ich bin nicht sicher, dass ich sehr viel weiß. Ich wollte nur mit jemandem zusammenkommen, der sie ebenfalls kannte und sich mit mir an sie erinnern kann. Ich hatte gehofft, dass Sie sie während der letzten fünf Jahre gesehen hätten.«
Mir tat es für uns beide Leid. »Sie haben den gleichen Nachnamen. Wie sind Sie mit ihr verwandt?«
Das schien sie zu überraschen. »Ich dachte, das wüssten Sie. Sie erwähnte mich doch
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