Jack Holborn
oder ich an, voranzugehen, natürlich unter seiner Führung. Davon wollte er jedoch nichts hören; er traute uns mit keinem Schritt, den er nicht selbst als erster genommen hatte. Und selbst als sich der Wald zu lichten begann und der Weg deutlicher und heller wurde, stolperte er voran, wobei er entweder den rechten oder linken Arm ausstreckte, um uns zurückzuhalten. Gegen Abend war er so ermattet, daß er hin und her taumelte, als sei er betrunken. Dann ging Mister Trumpet wieder vor, wobei er mich zur anderen Seite winkte, um ihm zu helfen, nur um zurückgewiesen zu werden mit einem: »Kümmere du dich um unsere Nahrung, Trumpet. Ich kümmere mich um den Weg.«
Elf Tage insgesamt folgten wir ihm, elf rauhe, düstere, einsame Tage, bis plötzlich alle Zeichen der Natur bewiesen, daß uns der kleine Mann richtig geführt hatte. Alles deutete auf eine größere Erhebung. Wir waren dem Gipfel des Vorgebirges nahe, das Mister Morris ausgemacht hatte.
Dann, am späten Nachmittag des zwölften Tages nach Lord Sheringhams Verlust (und dem fünfzehnten, seit wir den großen Wald betreten hatten), gelangten wir ins Freie und erblickten zum erstenmal Mister Morris’ Verheißung und Traum: den Traum, der ihn weiter und über seine eigentliche Kraft vorwärtsgetrieben hatte, denn er war ein etwas angeschimmelter Mann und klein, ein Spielball starker Winde, der außer seinem Willen nicht viel Kraft besaß. Wir sahen den Fluß, der von nun an unser Begleiter und Führer sein sollte.
Vielleicht sahen wir damals nicht mehr als ein Silberblitzen unter den hängenden Bäumen, aber es war der Fluß von Mister Morris, und er betrachtete ihn, als sei es der Jordan.
Er schenkte dem großen, weiten Land, zu dem er uns gebracht hatte, nicht viel Beachtung: die hohen blauen Berge, die ostwärts lagen, kümmerten ihn nicht. Er vertiefte sich in den Fluß, nahm sein mit grünem Leder bezogenes Fernrohr heraus, starrte, trat zur einen Seite, dann zur anderen, murmelte, hustete manchmal und vergaß, sich den Mund abzuwischen: »Wenn er dahin fließt – und dahin … wenn es keine Stromschnellen gibt … er ist breit … schon breit … breit und schön! Vielleicht tief genug für – zehn, fünfzehn Meilen … Sie könnten sich ein Floß bauen … Was ist da? Überhängende Felsen … am Ufer … Gott sei Dank … ein ausgezeichneter Fluß … eine sanfte, sanfte Strömung …«
Er steckte das Glas weg und legte den Kompaß auf den Boden. Ich hatte das bei ihm noch nie gesehen: daß er seinen Kompaß aus der Hand legte, meine ich. Dann wandte er sich um und kam wieder den Berg herauf, denn in seiner Erregung war er ein wenig hinuntergegangen.
»Morris, du blutest!« sagte Mister Trumpet plötzlich; denn aus einem Mundwinkel rann ihm Blut, und er hatte einige Flecken auf dem Kinn vom Husten. Zum ersten Mal sah ich mir Mister Morris’ Gesicht im Sonnenschein genau an und merkte, daß er unsäglich blaß war – fast schon grau …
Aber er schüttelte ungeduldig den Kopf und forderte uns zum Sitzen auf, während er seinen Plan entwickelte. Keine weitere Verwendung für Kompaß und Sextant. Nur immer dem Fluß nach. Vielleicht ein Floß bauen? Aber lieber am Ufer entlanggehen. Mittag etwa zwei oder drei Stunden Unterschlupf suchen, wenn die Sonne am heißesten war …
»Um Gottes willen, lauft nicht in der Sonne. Und hütet euch im Fluß zu baden, weil es möglicherweise Krokodile gibt. Und wenn ihr den Hafen erreicht – denn da, wo dieser schöne Fluß ins Meer mündet, wird ein Hafen sein – sucht euch das zur Heimat bestimmte Schiff sorgfältig aus. Nehmt ein Schiff, dessen Achterdeck nicht zu hoch gebaut ist (wie bei den Spaniern), sondern das eine niedrige, saubere Linie hat. Und vertraut euch nicht den neuen Modellen an, die zuviel Leinwand tragen. Sie überstehen die Stürme nicht. Hütet euch vor einem Schiff, das zu schwer beladen ist, denn das beweist die Habgier der Reeder und die Dummheit des Kapitäns, daß er so etwas zuläßt.«
»Aber das ist deine Sache, Morris«, warf Mister Trumpet beunruhigt ein, »die Wahl des Schiffes liegt in deiner Hand.«
»Denkt an die Charming Molly und was ihr zugestoßen ist«, fuhr Mister Morris fort, indem er mit einer Geste Mister Trumpet Schweigen befahl. »Seht euch daher ihre Kanonen an. Nicht weniger als zwölf und gut poliert: das ist das Zeichen von Kanonieren, die gut geschult sind. Und denkt daran, daß im äußersten Fall das Schiff von der Mannschaft abhängt. Daher sage
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