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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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kann, ist man zu dicht, um abzudrehen.«
    Das waren die ersten Worte, die ich den einarmigen Fremden sprechen hörte, und seine Stimme war jedenfalls angenehmer als sein Aussehen. Und doch hatte es damit etwas auf sich, was mir bekannt schien …
    Das verwirrte mich lange Zeit, bis ich zu dem Schluß kam, daß es sein Akzent war, der mich an irgend jemanden von der Charming Molly erinnerte. An wen konnte ich mich jedoch nicht entsinnen.
    Nachdem ich ihn nun einmal gehört und sein eines Auge sich erweichen und zwinkern gesehen hatte, dachte ich anders von ihm und schätzte ihn wegen der Art, in der er mit mir sprach und mir so manches vom Meer und dem Wetter erzählte. (Ja, er erinnerte sich an den großen Sturm vor einigen Monaten, mit der Wolke am Himmel wie ein Tiger. Manche sagten, es hätte damals Erdbeben in London gegeben, die dem entsprachen.)
    Hin und wieder, wenn ich ihm näherkam, um seine Worte besser zu verstehen, zuckte er vor mir zurück. Daher wußte ich, daß seine Wunde noch frisch und der Stumpf noch empfindlich war.
    Wie lange lag es wohl zurück, sein Mißgeschick? Lange genug, um mit seiner einen Hand mächtig geschickt zu sein, aber noch nicht lange genug, um ihm das verlorene Auge zu ersetzen. Deutlich sichtbare Gegenstände mußte er in einem weiten Bogen umgehen, und oft schien er auf seiner blinden Seite Dinge zu sehen, die überhaupt nicht da waren, während er andere überhaupt nicht wahrnahm …
    Am späten Nachmittag war es sicher, daß wir Weymouth bei Einbruch der Nacht erreichen würden, denn der Rückenwind blieb weiterhin kräftig, und unter reichlich gesetzter Leinwand machten wir gute Fahrt.
    Der Fremde erwärmte sich zusehends, als die Stunden nach Weymouth abnahmen und sich über die ganze Lady Jane eine Abschiedsstimmung senkte.
    Er fragte mich, was ich täte, wo ich lebte, mit wem ich reiste und ob ich eine Mahlzeit mit ihm teilen würde, wenn wir an Land kämen.
    »Frage deine Gefährten«, drängte er mich. »Frage sie, ob sie dich eine oder zwei Stunden entbehren können.«
    »Das will ich tun, Sir«, sagte ich, ungeheuer geschmeichelt von seiner Aufmerksamkeit. »Ich werde sie gleich fragen.«
    Denn ich hatte gerade, sehr gelegen, Mister Trumpet und »Mister Rogers« zum ersten Mal an jenem Tag auf dem Halbdeck gesehen.
    »Das sind sie da drüben – an der Reling – wollen Sie –?« Ich unterbrach mich in plötzlichem Schmerz und in Verwunderung – mein Handgelenk! Er hatte mein Handgelenk gepackt, und mit einem Griff, der es beinahe entzweibrach.
    »Was ist das für ein Mann?«
    »Mein Handgelenk, Sir – mein Handgelenk –«
    »Was – ist – das – für – ein – Mann?«
    »Wer? Welcher Mann?«
    »Der kleine. Der grauhaarige – der Mann mit dem Stock mit dem goldenen Knauf.«
    »Mister Rogers. Das ist Mister Rogers.«
    Er ließ mein Handgelenk los und schritt unsicher zum Bug der Lady Jane. Und dort blieb er, in ein ungewöhnliches Schweigen gehüllt. Er sprach weder zu mir noch einer anderen Seele an Bord und blieb still wie ein Fels, trotz Nebel, trotz Dämmerung, ja sogar trotz Weymouth. Dann gingen wir und die ganze Schiffsbesatzung an Land.
    Ich fragte Mister Trumpet, ob er den Fremden schon einmal gesehen hätte. »Nie«, sagte er. »Nie in allen meinen Tagen.« Aber Mister Trumpet war so in sein künftiges Leben der Muße und des Reichtums vertieft, daß er’s nicht gemerkt hätte, wenn der Fremde sein eigener Bruder gewesen wäre.
    Ich fragte »Mister Rogers« und kriegte nicht mehr als »nicht seinem sicheren Wissen nach … vielleicht ein Irrtum: gestörte Sicht … hat ihn für einen anderen gehalten … schwindendes Licht gaukelt etwas vor … überspannt. Nein … nein … nie vorher gesehen …«
    Dann gelangten wir etwa um acht Uhr am nebligen Abend des 25. November in den Hafen von Weymouth. Zehn Minuten danach waren wir an Land. Zurück in schmutzigem Nebel und der stinkenden Luft und klapperten wieder einmal auf dem Kopf Steinpflaster. (Mein Gott! Das war ein gutes Gefühl. Und ich war einmal davongerannt, um ihm zu entgehen. Jack Holborn? Nun, nicht ganz derselbe Jack Holborn, der davonging.)
    Dann sah ich ihn wieder: groß und abweisend in dem fließenden Nebel. Sein einsames Auge starrte »Mister Rogers« an. Er drehte sich abrupt um und verschwand in der belebten Nacht.

XXI
    Wir fanden für diese Nacht Unterkunft im schäbigen »Nordstern« in der Watergate Street, und dort erklärte Mister Trumpet, wir müßten alle am Morgen die

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