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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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Handwerk und ehrst ihn dafür. Kauf ihm einen Krug Ale und sage: ›Es gibt bessere Dinge zu nähen als Leichentücher und Hosen, Sir. Und Ihre Hände sind es, die sie nähen. Ich stoße an auf gutes Wetter, Sir, für alle Ihre salzigen Tage.‹ Uff! Uff! Sachte da! Straff! Straff!«
    Am Tag, der dem Sturm folgte, kamen wir an mehreren abgebrochenen Masten vorbei, deren Bruch noch frisch war; deshalb setzten wir einen Ausguck nach anderen Anzeichen eines Wracks. Aber wir sahen keine, und man nahm daher an, daß die Spieren alles waren, was von dem allzu leichten Portugiesen übrig war – »mit Mann und Maus gesunken«.
    Mister Fared war an Bord gewesen, der reiche Mister Fared mit allen meinen Edelsteinen. Jetzt schwebte er drunten wie Mister Pobjoy und Mister Taplow über die zwischen ihnen liegenden Steine.
    Nach fast sechs Wochen legten wir in Lissabon an, wo Kapitän Farmer und Sir Joseph ihre Ladung von Salz und Seide für viele Fässer Portwein und Madeira verkauften, und »Mister Rogers« mir in freundlicher Stimmung vorschlug, ich solle, wenn sich nichts anderes anbiete, mit ihm nach London kommen und in seinem Haus meine Heimstatt aufschlagen. Er sagte das zögernd – und erinnerte sich dann, daß er erst etwas Geschäftliches zu erledigen hätte, was ein paar Tage in Anspruch nehmen könnte. Aber er versicherte mir, er werde dafür sorgen, daß ich in der Zeit gut versorgt würde.
    Dies, nahm ich an, war dafür, daß ich ihm das Leben gerettet hatte. Ich hielt den Handel für ungerecht. Es schien mir, daß ich betrogen wurde. Und mit dem liebenswürdigsten Lächeln. Das verschwand, als ich ihm sagte, er solle sich etwas Besseres ausdenken, um seine Schuldigkeit an mich abzutragen (er wisse recht wohl, was das wäre) oder solange warten, bis die Vorsehung uns die Chance einräumte, auf ewig miteinander abzurechnen. Und diese Chance, hoffte ich, werde nicht lange auf sich warten lassen.
    Drei Wochen später, an einem kalten Novembertag, an dem der Nebel des Ärmelkanals durch die Takelage zog und die Masten einhüllte, erreichten wir St. Peterport: und da kam dann der Fremde an Bord.
    Gegen Abend segelten wir in den dunklen, sehr geheimnisvoll aussehenden Hafen, und die alten grauen Wellen leckten und knufften die Lady Jane an den tiefen Planken. Sehr kalt war es an Deck und trübe in den Kajüten. Nur Kapitän Farmer ging an Land. Er blieb etwa zwei Stunden und kam mit einem Passagier zurück, der nach Weymouth wollte: einem großen, eingemummelten Mann, der mit einem schwingenden Rollen ging und um den Hauptmast herumschwenkte, als sei er lebendig.
    Zuerst dachte ich, er sei ein schwermütiger Irrer, der da vorne am Fockmast stand und sich nicht regte: manchmal von Nebelschwaden ausgelöscht, dann wieder kompakt und so still und seltsam wie zuvor. Er sprach, nickte und winkte keinem Lebewesen zu, sondern starrte und starrte nur über das Meer …
    Dann drehte er sich plötzlich um, und ich bemerkte, daß er eine braune Klappe trug, die ein zerstörtes Auge bedeckte und ein Stück einer Wunde, die sich über das ganze Gesicht zog von der Braue bis zum Kinnbacken – und die seine Sehkraft beeinträchtigt haben mußte. An derselben Seite, seiner Linken, hing auch ein Ärmel, der von der Schulter abwärts leer war. Der Arm war ihm abgetrennt.
    Kurz darauf besserte sich das Wetter, und die Sonne kam hervor: obwohl es mehr das Gemälde einer Sonne war – nur Licht und keine Wärme –, während der Wind kalt war wie ein Messer.
    »Kennst du dort die grauen Damen, Junge?« rief ein schottischer Kanonier plötzlich aus. Er deutete, und ich sah aus dem halb-goldenen Dunst voraus an der Steuerbordseite mehrere hohe graue Felsen hervorkriechen, die schlurfenden und einander zunickenden Nonnen auffallend ähnlich sahen.
    »Wie viele erkennst du?«
    »Sieben«, sagte ich nach genauem Hinsehen, denn die letzten zwei ragten kaum aus dem Wasser.
    »Dann kannst du dankbar sein. Wenn da nur fünf wären, dann hätte es bedeutet, daß zwei nach unten gegangen sind, um uns das Grab zu bereiten.«
    Ich muß ungläubig ausgesehen haben, denn er drohte mir mit dem Finger und sagte: »Wenn es fünf wären, wären wir verloren. Glaub mir, Junge. Glaub mir.«
    Dann sagte eine fremde Stimme: »Es ist eine Angelegenheit von Winkeln und Sehfeld, mein Sohn. Wenn die beiden letzten Felsen verborgen sind, dann fährt das Schiff direkt auf die Riffe zu und wird bestimmt scheitern. Wenn man nämlich so dicht ist, daß man sie zählen

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